Augenzeugen
Leitung lachte. «Nun, das kann jeder sagen.»
Van Appeldorn knirschte mit den Zähnen. «In Ordnung, dann rufe ich jetzt meine Kollegen in Renesse an. Die stehen in zehn Minuten bei euch auf der Matte.»
Es blieb kurz still. «Herr Schönfelder lebt bei uns im Hotel», sagte der Mann dann schnell. «Aber er ist ausgegangen, vor eine halbe Stunde ungefähr.»
«Geht doch! Und wann kommt er zurück?»
«Tut mir Leid, mein Herr. Wissen Sie, wir sind ein Hotel, kein concentratiekamp.»
Van Gemmern war in seinem Labor und arbeitete mal wieder an fünf Sachen gleichzeitig. Begeistert war er nicht, als Toppe mit dem Foto kam, aber er schaute es sich doch gnädig an. «Natürlich kann man ein Auge so stark vergrößern. Mit der entsprechenden Ausrüstung geht das auch digital. Wenn man das Bild hoch auflösend scannt … mindestens 800 pp …», murmelte er. «… mit genügender Tiefenschärfe …»
Toppe trat von einem Fuß auf den anderen. «Kannst du das machen?»
«Hier bestimmt nicht», meckerte van Gemmern. «Guck dir doch den jämmerlichen Kram an, der hier rumsteht. Alles von anno Tobak.»
Toppe versuchte, mitfühlend auszusehen. «Aber?»
«Aber», meinte van Gemmern und grinste, «weil du’s bist, und weil mir die Idee gefällt. Bei mir zu Hause stehen ein netter kleiner Macintosh mit Photoshop und ein ganz großartiger Scanner. Bis wann brauchst du es?»
«Sofort!»
Van Gemmern seufzte. «Warum habe ich überhaupt gefragt?»
Toppe klopfte ihm auf die Schulter. «Du hast was gut bei mir.»
«Du meinst, ich darf mir was wünschen?»
«Klar!»
«Prima, dann back mir doch bitte endlich einen Assistenten. Und wenn’s nicht zu unbescheiden ist, einen, der was auf der Pfanne hat und keine Widerworte gibt.»
Grübelnd kehrte Toppe ins Büro zurück.
«Halt dich fest», schmetterte Cox ihm entgegen. «Norbert und Astrid haben sich gemeldet. Der Schönfelder ist in einem Hotel in Renesse. Sie sind schon auf dem Weg zu ihm.»
«Gut, gut», antwortete Toppe zerstreut. Er hatte keine Ruhe, sich hinzusetzen, ging zum Fenster und trommelte mit den Fingern gegen die Scheibe.
«Und was wolltest du bei van Gemmern?»
«Er soll versuchen, Alinas Augen auf dem Foto so stark zu vergrößern, dass man erkennen kann, wer sich darin spiegelt.»
«Geniale Idee!» Cox’ Bewunderung war ehrlich gemeint. «Das könnte hinhauen, wenn man einen guten Scanner hat und ein anständiges Programm.»
«Das hat Klaus wohl alles bei sich zu Hause. Er ist gleich losgefahren.»
Cox packte seine Schokoladenstücke aus. «Dann bleibt uns beiden wohl nichts anderes übrig, als zu warten, in zweifacher Hinsicht. Erzählst du mir, was es mit dieser Entführung auf sich hat?»
Toppe gab sich geschlagen, setzte sich endlich und berichtete ausführlich bis hin zu der Hypothese, die Stein, Escher und er gestern aufgestellt hatten.
«Kannst du dir vorstellen, dass so ein Typ wie Schönfelder in Frauenhandel macht?», fragte Cox.
«Nein, eigentlich nicht.»
«Ich glaube auch nicht, dass der rumläuft und Kinder entführt.»
«Wir wissen nicht sehr viel über Schönfelder», gab Toppe vage zu bedenken.
Er schaute auf die Uhr. Van Gemmern war erst vierzig Minuten weg.
«Ich geh Kaffee kochen.»
«Hummeln im Hintern», feixte Cox. «Kann ich dir nicht verdenken. Ich werde inzwischen mal unsere Flipcharts wegräumen. Die brauchen wir ja doch nicht mehr.»
«Bloß nicht, solange wir den Fall nicht abgeschlossen haben. Das bringt Unglück», warnte Toppe im Hinausgehen.
«Bringt Unglück», moserte Cox vor sich hin. «Bringt Unglück, hab so ein Gefühl, Intuition, Gevatter Zufall … Ich fasse es nicht! Der bringt es fertig und klärt eine vier Jahre alte Entführung auf, an der sich eine Riesensoko vergeblich die Zähne ausgebissen hat, tss!»
Van Gemmern kam um 11 Uhr 38, und irritierenderweise strahlte er über das ganze Gesicht, als er Toppe einen piekfeinen Abzug auf den Schreibtisch legte.
Toppe hielt den Atem an. Er sah einen Mann in Jeans und T-Shirt. Sein langes Haar, das er zu einem Pferdeschwanz zusammengebunden hatte, war, bis auf eine schwarze Strähne über dem linken Auge, schlohweiß.
«Hellinghaus», flüsterte Toppe. «Jörg Hellinghaus!»
«Wie? Nicht Schönfelder?» Cox schaute ihm über die Schulter.
«Ich bin dann weg!» Van Gemmern verschwand, so rasch er konnte.
«Wenn ich dich richtig verstanden habe, kennst du den Mann auf diesem Foto.» Cox’ Stimme klang ein wenig gepresst.
«Ja»,
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