Aura – Verliebt in einen Geist: Band 1 (German Edition)
überhaupt keine Kontrolle mehr über mich und wusste selbst nicht, was ich als Nächstes machen würde. Ich hab gespürt, wie irgendetwas an mir gezerrt hat, gegen das ich keine Chance hatte. Es hatte etwas von einer Naturgewalt, der man hilflos ausgesetzt ist.«
Logan schüttelte den Kopf. Ich hatte ihn noch nie so niedergeschlagen gesehen und spürte, dass er selbst Angst hatte, er könnte wieder zum Schatten mutieren. »Aber wenn diese Kraft so übermächtig war«, sagte ich, »wie hast du es dann geschafft, wieder zu einem Geist zu werden? Warum bist du kein Schatten geblieben?«
»Das verstehe ich selbst nicht. Als du vom Dach gefallen bist, hatte ich solche Angst, dass du ernsthaft verletzt sein könntest, dass ich vollkommen davon beherrscht wurde. In mir war gar kein Platz mehr für andere Gedanken oder Gefühle, verstehst du? Und da hat sich der schwarze Nebel auf einmal gelichtet und ich sah wieder so aus.« Er hielt seinen violett schimmernden Arm in die Höhe. »Total verrückt, oder?«
»Das ist nicht nur verrückt, das ist absolut unglaublich«, erwiderte ich aufgeregt. »Ist dir klar, was das bedeutet? Das heißt, dass ein Geist, der zum Schatten mutiert ist, sich auch wieder zurückverwandeln kann!«
»Okay, aber ich war höchstens drei oder vier Sekunden lang ein Schatten, und es brauchte ein extrem dramatisches Ereignis, um mich aus diesem Zustand wieder herauszureißen. Es hat sich angefühlt, als würde ich mit dem Skateboard durch Treibsand fahren. Bergaufwärts.«
»Wow.«
»Ich weiß nicht, ob ich es schaffen würde, mich wieder zurückzuverwandeln, wenn ich noch einmal zum Schatten mutieren würde. Deswegen muss ich verdammt aufpassen und darf mich nicht aufregen, sonst kann ich es vergessen, jemals inneren Frieden zu finden und hinüberzuwechseln. Kann gut sein, dass diese Kraft sonst den letzten Rest verschluckt, der von meiner Seele übrig geblieben ist.« Er senkte den Kopf. »Und da wir gerade beim Thema sind … Ich muss dir etwas sagen.«
»Aura?«, hörte ich auf einmal Tante Ginas Stimme von oben. »Logan ist bei dir, oder? Ich habe gehört, wie du mit ihm redest, und will, dass er auf der Stelle geht.«
»Bitte lassen Sie es mich erklären!« Logan sprang vom Tisch auf, als sie die Treppe herunterkam. »Sie verstehen nicht … Ich wollte nur …«
»Hast du nicht schon genug Schaden angerichtet?« Sie blickte in die Richtung, in der sie ihn vermutete, trat ein paar Schritte auf ihn zu und zeigte dann auf mich. »Schau sie dir doch an!« Sie stand tatsächlich direkt vor ihm, obwohl sie gar nicht wissen konnte, wo er sich befand. »Das ist deine Schuld!«
»Ich weiß.« Logan sah mich zerknirscht an. »Hör zu, Aura«, sagte er dann schnell. »Ich bin gekommen, um mich zu verabschieden. Das war heute das letzte Mal, dass ich dich heimgesucht habe.«
»Nein!« Es war, als würde mir jemand das Herz herausreißen. »Bitte, Tante Gina, gib uns ein paar Minuten. Wir müssen reden.«
Sie griff in die Tasche ihres Bademantels und zog die Kette mit dem Obsidiananhänger hervor. »Es reicht. Ihr beide hattet in den letzten beiden Monaten genügend Gelegenheit, miteinander zu reden.«
Logan stöhnte und stolperte rückwärts durch den Couchtisch direkt in den Weihnachtsbaum hinein. Seine Konturen flackerten und flimmerten, und ich packte instinktiv eines der Sofakissen und hielt es wie einen Schild vor mich.
Dann verschwand er.
»Raus habe ich gesagt!« Tante Gina hob drohend die Hand.
»Er ist schon weg«, flüsterte ich. »Für immer.«
Einundzwanzigstes Kapitel
Wegen meiner Gehirnerschütterung blieben wir an Weihnachten zu Hause, statt wie sonst zu meiner Großmutter zu fahren. Tante Gina versuchte sich selbst an einem Truthahnbraten und verbrachte den halben Tag am Telefon, um sich von Grandma Tipps geben zu lassen. Ich glaube, sie bekam ihn ganz gut hin, aber ich schmeckte sowieso nichts.
Es war, als wäre Logan ein zweites Mal gestorben. Selbst nachdem die Schmerzmittel, die mir die Ärzte gegeben hatten, abgeklungen waren, fühlte sich mein Körper taub an und ich tapste wie eine Schlafwandlerin durch den Tag. Ich hatte keine Ahnung, wo er war oder ob er noch einmal zurückkommen würde, und klapperte sämtliche Foren und sozialen Netzwerke im Internet nach Hinweisen oder Gerüchten über seinen Aufenthaltsort ab. Vergeblich. Zachary hatte recht gehabt – ich war noch nicht über Logan hinweg. Noch lange nicht.
Ich saß am Tisch und aß den Rest des
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