Aura – Verliebt in einen Geist: Band 1 (German Edition)
damals nicht das Leben gerettet hätte. Und wenn ich nicht seine Freundin geworden wäre, hätte ich ihn am neunzehnten Oktober kurz nach Mitternacht nicht als Idiot bezeichnet. Wenn Logan mir nicht das Leben gerettet hätte, hätte er sein eigenes vielleicht nicht verloren.
»Aura?«, drang wie aus weiter Ferne eine besorgte Stimme an mein Ohr. Zachary.
»Entschuldigung. Was hast du gerade gesagt?«
Er schwieg einen Moment lang, dann antwortete er: »Ich bin gleich bei dir.«
»Oh! Die sind wunderschön.« Tante Gina legte ihr Sudoku-Heft zur Seite und stand auf, um Zachary zu begrüßen, als er mein Krankenzimmer betrat. »Ich frage gleich mal bei den Schwestern nach einer Vase«, sagte sie und eilte in den Gang hinaus.
»Hey, du.« Zachary trat zu mir ans Bett. »Wie geht’s dir?«
»Ich bin zu nichts mehr zu gebrauchen. Und ich hab keine Ahnung, wie ich mich mit dem Ding da fortbewegen soll.« Ich deutete mit der rechten Hand, die geschient und mit einem hellbraunen Verband umwickelt war, auf die Krücke, die an meinem Nachttisch lehnte. »Aber der Arzt hat gesagt, dass die Verstauchung im Handgelenk nicht so schlimm ist und ich wahrscheinlich schon bald mit zwei Krücken laufen kann.« Ich betrachtete den Rosenstrauß, den er in der Hand hielt. »Sind die Blumen für mich oder gehst du noch woandershin?«
»Oh, entschuldige. Hier.« Er legte den Strauß behutsam in meinen Schoß.
»Die sind wirklich wunderschön.« Es waren sechs gelbe und sechs rote Rosen, und sie dufteten so herrlich, dass meine Kopfschmerzen schlagartig besser wurden. »Da könnte ich mich glatt dazu hinreißen lassen, noch mal vom Dach zu fallen«, sagte ich lächelnd.
»Untersteh dich.« Zachary wischte sich die Hände an der Hose ab und setzte sich dann in den Besucherstuhl, in dem meine Tante gesessen hatte, bevor er gekommen war. »Der Mann im Blumenladen hat gesagt, gelbe Rosen würde man Menschen schenken, die gute Freunde sind, und rote … na ja, Menschen, die mehr als gute Freunde sind.«
»Heißt das, wir sind beides?«, fragte ich und schnupperte noch einmal an den duftenden Rosen.
Er sah auf seine Hände. »Das heißt, dass ich nicht weiß, was wir sind.«
Ich hob erschrocken den Kopf. »Aber gestern Abend …«
»Gestern Abend war ich noch nicht so verwirrt wie jetzt.«
Mein Magen zog sich schmerzhaft zusammen. »Verwirrt in dem Sinn, dass du nicht mehr weißt, ob du mit mir zusammen sein willst?«
»Nein!« Zachary schüttelte heftig den Kopf. »Ich weiß genau, dass ich mit dir zusammen sein will. Aber nur wenn du wirklich frei bist.«
»Das bin ich«, flüsterte ich und wünschte, meine Stimme würde überzeugender klingen. »Ich habe mit Logan Schluss gemacht, das habe ich dir doch erzählt.«
»Und das hätte dich beinahe das Leben gekostet.«
»Ich bin bloß zwei Meter tief gefallen.«
Er deutete auf das Telefon. »Ich konnte es in deiner Stimme hören, Aura. Es tut dir weh, auch nur seinen Namen auszusprechen. Und ich kann es auch jetzt in deinen Augen lesen. Du bist noch nicht über ihn hinweg.«
Ich versuchte Zachary anzusehen, aber vor meinem geistigen Auge stieg sofort das Bild des verzweifelten, in seiner Wut zum Schatten mutierenden Logan auf. Traurig starrte ich auf die Rosen. »Ich arbeite daran.«
Zachary stützte seufzend die Ellbogen auf die Knie und beugte sich vor. »Ich bin bereit zu warten, Aura, aber ich … ich bin kein verdammter Heiliger.«
»So, da bin ich wieder!« Tante Gina kam auf ihren hochhackigen Pumps mit einer Vase, in die sie bereits Wasser gefüllt hatte, ins Zimmer gestöckelt und stellte sie auf das ausgeklappte Tablett des Nachtischs vor mir. Während sie die Rosen aus dem Papier wickelte und in der Vase arrangierte, summte sie ein Weihnachtslied vor sich hin.
Ich verfolgte jeden ihrer Handgriffe, als hätte ich noch nie etwas Faszinierenderes gesehen. Alles war besser, als den Kummer in Zacharys Gesicht zu ertragen.
Plötzlich hob Gina den Kopf und schaute fragend zwischen uns beiden hin und her. »Oh. Bin ich etwa in einem ungünstigen Moment zurückgekommen?«
Wir zuckten verhalten mit den Schultern.
Eilig steckte sie die letzten Rosen in die Vase und griff anschließend nach ihrer Handtasche. »Ich bin dann mal in der Cafeteria einen Kaffee trinken. Brauchst du noch irgendetwas, Schatz?«
Ich schüttelte den Kopf. Tante Gina gab mir einen Kuss auf die Wange und klopfte Zachary im Hinausgehen mit vielsagendem Blick auf die Schulter, was wohl ihre Art war,
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