Aura – Verliebt in einen Geist: Band 1 (German Edition)
Kürbisauflaufs (der allerdings ein Fertigprodukt war), während Gina das Geschirr wegräumte, als zum gefühlten vierzigsten Mal an diesem Tag das Telefon klingelte. Ich überlegte gerade, welcher Verwandte noch nicht angerufen hatte, um uns frohe Festtage zu wünschen, da kam Gina aus der Küche und reichte mir das Telefon. »Für dich, Schatz. Es ist Dylan.«
Ich nahm den Hörer und meldete mich. »Hey.«
»Hallo«, sagte er und schwieg anschließend.
Mein Herz begann zu rasen. Hielt er den Hörer vielleicht für Logan, damit er mit mir sprechen konnte?
Aber eine Sekunde später sagte er: »Früher habt ihr uns an Weihnachten immer besucht, nachdem ihr von deiner Großmutter zurückgekommen seid, weißt du noch?«
»Natürlich weiß ich das noch.« Bei den Keeleys hatten wir immer gesungen, Berge irischer Weihnachtsköstlichkeiten verschlungen und uns zusammen den Weihnachtsklassiker Ist das Leben nicht schön mit James Stewart angeschaut. »Wieso fragst du?«
»Keine Ahnung … musste nur daran denken, wie toll das immer war.«
Das war es tatsächlich, und die Erinnerung daran schmerzte wie eine offene Wunde. »Wie ist die Stimmung bei euch?«
»Beschissen. Hast du trotzdem Lust, vorbeizukommen?«
»Würden die anderen mich denn überhaupt sehen wollen?«
»Siobhan auf jeden Fall und mein Vater würde sich bestimmt auch freuen. Bei Mom bin ich mir nicht so sicher, vielleicht würde es sie eher traurig machen. Ich schätze, wenn es eine Abstimmung gäbe, würde es fifty-fifty stehen. Zweieinhalb zu zweieinhalb Stimmen.«
»Komm doch einfach mit Siobhan zu uns. Wir könnten zur 34th Street fahren.«
In Hampden, einem Stadtteil im Nordosten Baltimores, fand während der Weihnachtszeit immer das sogenannte »Wunder der 34. Straße« statt, seit die Leute dort irgendwann begonnen hatten, ihre Häuser immer aufwendiger mit bunt blinkenden Lichterketten zu schmückten. Mittlerweile war die Gegend zu einer echten Touristenattraktion geworden.
»Coole Idee! Ich frag sie mal.«
Dylan legte den Hörer beiseite. Als mehrere Minuten lang nichts passierte, kam mir der Verdacht, dass er vielleicht ein neues Ballerspiel zu Weihnachten bekommen hatte, über dem er mich vergessen hatte. Bei Dylan lag so was durchaus im Bereich des Möglichen.
Aber dann war er plötzlich wieder da, rief atemlos: »Sind gleich bei euch!«, und legte auf.
Knapp eine Stunde später fuhr Siobhan mit Dylan und mir die weihnachtlich dekorierte 34th Street entlang. Gina und ich waren dieses Jahr nicht dazu gekommen, uns das Weihnachtsspektakel anzusehen, weil sie die ganze Zeit mit den Unterlagen zu Logans Prozess beschäftigt gewesen war und ich mit … na ja, mit Logan persönlich.
Die Chieftains fiedelten im CD -Player Weihnachtslieder, während wir im Konvoi mit etlichen anderen Autos unter leuchtenden Weihnachtsgirlanden die schmale Straße entlangkrochen. Fast jeder Zentimeter der Häuserfassaden war mit Lichterketten und farbenfroh blinkenden Weihnachtsmotiven geschmückt. In der 34th Street herrschte ein ungeschriebenes Gesetz: Wer hier wohnte, musste sein Haus weihnachtlich schmücken, selbst wenn er kein Christ war und Weihnachten gar nicht feierte. Irgendwie empfand ich das als einen tröstlichen Beweis dafür, dass es verbindende Kräfte in der Welt gab, die stärker waren als die Zugehörigkeit zu einer Religion.
»Er sitzt jetzt aber nicht hier im Auto, oder?«, fragte Siobhan misstrauisch.
»Nein«, sagten Dylan und ich gleichzeitig. Allerdings machte es das funkelnde Lichtermeer um uns herum auch schwierig, Geister zu sehen.
Siobhan drehte die Musik leiser. »Als Mom und Dad in ihrem Zimmer gestern noch Geschenke eingepackt haben, sind sie öfter rein- und rausgegangen und haben vergessen, die Tür zu schließen, sodass ich gehört habe, worüber sie sich unterhalten haben.« Sie machte eine kurze Pause. »Sie wollen wegziehen.«
»Was?« Dylan hielt sich an der Kopfstütze ihres Sitzes fest und beugte sich vor. »Wohin denn?«
»Das ist ihnen anscheinend egal … Hauptsache weg.« Siobhans Stimme wurde leise. »Irgendwohin, wo Logan zu Lebzeiten nie war.«
»Ich ziehe garantiert nicht um! Auf keinen Fall!« Dylan schlug auf das Sitzpolster ein. »Endlich hab ich unter den Vollidioten an der Schule ein paar Leute gefunden, die in Ordnung sind. Das lass ich mir nicht schon wieder kaputt machen.«
»Ich fürchte, du hast keine andere Wahl«, seufzte Siobhan.
»Und was ist mit dir und Mickey?«, sagte er. »Ihr seid
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