Aura – Verliebt in einen Geist: Band 1 (German Edition)
Herz zur Größe einer Rosine zusammenzog.
Das Bild zeigte Logan, wie er zu Lebzeiten ausgesehen hatte. Wie er in der Nacht seines Todes ausgesehen hatte. Er kniete auf der Bühne, hielt das Mikro in der Hand und richtete die strahlend blauen, vor Lebenslust funkelnden Augen irgendwo in die Ferne.
In die Unendlichkeit.
Ich sank auf den Stuhl vor dem Tablet und legte die Krücken in den Schoß. »Wo haben Sie dieses Foto her? Sind Sie an dem Abend auf dem Konzert gewesen?«
»Ich war nicht persönlich da, nein. Wir haben Agenten, die unter den Besuchern eines Punkkonzerts weit weniger auffallen als ich.«
»Ich verstehe nicht, welches Interesse das DMP an Logan gehabt haben soll, als er noch lebte.«
»Ich bitte Sie, Ms Salvatore.« Agent Falk ließ sich mir gegenüber am Tisch nieder. »Sie wissen, dass Sie die Erste sind. Wir wissen, dass Sie die Erste sind. Darüber hinaus sind Sie nicht nur die Erste, sondern auch die Einzige, die eine Minute nach dem Shift geboren wurde. Und deswegen ist selbstverständlich alles, was Sie tun und jeder Ihrer Freunde und Bekannten sogar von enorm großem Interesse für uns.«
Ich schob meine eiskalten Hände zwischen die Knie. »Sie beobachten mich.«
»Nicht ununterbrochen. Dazu fehlen uns die finanziellen Mittel. Aber je älter Sie werden, desto neugieriger werden wir.«
»Warum? Werden mir an meinem achtzehnten Geburtstag Flügel wachsen, ein zweiter Kopf oder ein elfter Zeh?«
Agent Falk verzog keine Miene. »Um ehrlich zu sein, wissen wir nicht, was passieren wird.« Er schob das Tablet zu sich heran und tippte aufs Display. »Aber lassen Sie es mich so sagen: Seit dem Tod Ihres Freundes ist das Warten auf das, was passieren wird, noch um einiges spannender geworden.«
Ich ballte die Fäuste und hätte sie dem Typen am liebsten ins Gesicht gerammt. Spannender. Er redete über das Schlimmste, was ich je erlebt hatte, als würde es sich um ein wissenschaftliches Experiment handeln.
»Logan ist ein Prä-Shifter«, sagte ich. »Was wollen Sie von ihm?«
Falk rief seinen Partner zu sich, der in seine Tasche griff, eine kleine durchsichtige Scheibe hervorzog und sie in die Höhe hielt.
»Wissen Sie, was das ist, Ms Salvatore?«, fragte Falk.
»Ein Lokalisator.« Mein Herz klopfte so schnell, dass meine Stimme zitterte. »Wir benutzen sie bei Gericht, um Verstorbene in den Zeugenstand zu rufen. Mithilfe eines Lokalisators können Geister an Orte geholt werden, an denen sie sich zu Lebzeiten nie aufgehalten haben.«
»Das ist korrekt. Lokalisatoren bestehen aus reinem Quarz und sind dadurch gewissermaßen das Gegenstück zu Obsidian. Einem Geist, dessen Vibrationssignatur bei uns gespeichert ist, bleibt gar nichts anderes übrig, als zu erscheinen, sobald der Lokalisator aktiviert wird.«
»Ich weiß zwar, dass Logans Vibrationssignatur gespeichert ist«, sagte ich und versuchte tief durchzuatmen, um meinen rasenden Puls zu beruhigen, was allerdings durch den immer noch um meinen Brustkorb gewickelten Verband erschwert wurde. »Aber ich weiß auch, dass sie nach dem Prozess sofort gelöscht werden muss. Das ist gesetzlich so vorgeschrieben.«
»Selbstverständlich wird sie gelöscht. Die Gesetze unseres Landes gelten für die Geister genauso wie für die Lebenden. Schließlich sind sie auch Menschen. Das lernt man schon im Grundkurs Sozialkunde.« Falk trommelte mit den Fingern auf die Tischplatte. »Allerdings erstreckt sich die Gesetzgebung bislang noch nicht auf Schatten.«
»Logan ist aber kein Schatten!« Meine Stimme überschlug sich vor Aufregung. »Sie können ihn nicht einfach so festnehmen.«
»Oh doch, das können wir. Die Auswertung seiner Signatur hat ergeben, dass bereits mehrmals schattentypische metaphysische Vibrationen von ihm ausgingen. Das letzte Mal wurden sie in der Nacht zum Sonntag hier vor diesem Haus aufgezeichnet. Zufälligerweise exakt in dem Moment, in dem Sie vom Dach stürzten und sich verletzten. Das dürfte mehr als ausreichend sein, um zu begründen, warum wir Ihren Freund in Gewahrsam nehmen müssen. Mr Keeleys Eltern können selbstverständlich gegen die Festsetzung klagen, aber da die Gesetzgebung in Bezug auf Schatten, wie bereits erwähnt, noch nicht besonders ausgereift ist, kann es eine Weile dauern, bis er wieder freigelassen wird. Und mit einer Weile meine ich …«, er stützte das Kinn in die Hand, als würde er im Kopf nachrechnen, »… eine kleine Ewigkeit .«
Ich umklammerte die Tischkante. »Heißt das, dass
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