Aura – Verliebt in einen Geist: Band 1 (German Edition)
Stück weit von uns entfernt allein in der Dunkelheit, drückte die Stirn gegen eine Hauswand und ballte die Hände zu Fäusten.
Ich humpelte auf Krücken zu ihm hin. »Gina ist gleich fertig und fährt uns dann ins Krankenhaus zu deinem Vater.«
Dylan antwortete nicht. Ich sah, wie sein Kiefer mahlte.
»Ich könnte mir vorstellen, dass das DMP die Sache nicht weiter verfolgt, wenn wir keine Anzeige erstatten.«
Dylan reagierte nicht.
»Woher hast du es gewusst?«, fragte ich leise.
Er schluckte. »Was soll ich gewusst haben?«
»Als Logan zum Schatten mutiert ist, hast du gesagt: ›Ich hab’s gewusst.‹ Woher?«
Dylan lehnte sich an die Hauswand und holte tief Luft. »Logan hatte so ein komisches Gefühl, von dem er mir erzählt hat, bevor wir hergekommen sind. Er hat gesagt, dass der kurze Moment, in dem er ein Schatten war, ihn beschmutzt hätte.« Dylan sah mich an. »Den Ausdruck hat er benutzt, nicht ich.«
Mir wurde so kalt, als hätte ich einen Eisklumpen verschluckt. »Aber … ich verstehe das nicht. Er hat gesagt, dass er bereit ist.«
»Um dich nicht zu beunruhigen.« Dylan zuckte niedergeschlagen mit den Schultern. »Er fand, dass er uns allen schon genug Kummer gemacht hat.«
Ich versuchte, etwas darauf zu erwidern, brachte aber keinen Ton heraus.
»Er wollte es wenigstens versuchen«, flüsterte Dylan.
Ich lehnte mich neben ihn an die Wand, um mein verstauchtes Knie zu entlasten. »Die Obsidians haben ihm keine Wahl gelassen. Er stand unter einem enormen Druck, weil er wusste, dass sie nur darauf warteten, ihn einzusperren, wenn er nicht hinüberwechselt.« Plötzlich wurde mir klar, was das Schlimmste war. »Und wir haben ihre Warnung an ihn weitergegeben.«
Dylan stöhnte und ließ den Kopf gegen den rauen Putz der Hauswand fallen. »Dann sind wir schuld.«
»Nein, sind wir nicht.«
»Ich schon. Ich hätte nicht zulassen dürfen, dass er versucht, hinüberzuwechseln, obwohl er noch gar nicht bereit dazu war.«
»Es war seine eigene Entscheidung, also hör auf, dir Vorwürfe zu machen.« Ich wandte ihm den Kopf zu. »Logan wäre stinksauer, wenn er wüsste, dass du dir die Schuld gibst.«
»Weißt du was? Ich scheiße auf Logan.« Dylan drehte sich um und hieb mit der Faust gegen die Mauer. »Hörst du, Logan? Ich scheiße auf dich!«, schrie er verzweifelt. »Ich scheiße auf dich! Ich scheiße auf dich! Ich scheiße auf dich !«
Ich griff nach Dylans Hand und hielt sie fest.
Er presste keuchend die Stirn an die Mauer, und ich spürte, wie das Blut warm über seine aufgeschürften Fingerknöchel lief.
Irgendwann drehte er mir den Kopf zu und sah mich an. Eine Strähne seiner braunen Haare fiel ihm in die Stirn. »Und was machen wir jetzt?«
»Es ist mir egal, was Logan gesagt hat.« Ich ließ seine Hand los. »Wir warten auf ihn.«
Als Erstes verbannte ich alles, was rot war, aus meinem Zimmer. Ich stopfte die Flanellbettwäsche in eine Tüte, entsorgte sie in einem Altkleidercontainer und bezog Decke und Kissen wieder mit der dunkelblauen Garnitur. Den Obsidian-Anhänger gab ich Megan zur Aufbewahrung. Vielleicht hatte Tante Gina recht und ich würde ihn eines Tages tragen wollen, aber so weit war ich noch nicht.
Zwei Tage nach dem Prozess – einen Tag, bevor die Schule wieder begann – setzte Gina mich abends vor dem Apartmentkomplex ab, in dem die Moores wohnten. Wir hatten ausgemacht, dass sie uns etwas zu essen besorgen und mich anschließend wieder abholen würde. Ich wollte dieses Gespräch ganz in Ruhe unter vier Augen führen und nicht während des Geschichtskurses, in der Cafeteria oder am Handy, das war ich Zachary schuldig.
Als er mir die Tür öffnete, hielt ich ihm zwei weiße Kartons hin, einen langen rechteckigen und einen kleineren quadratischen.
»Welchen soll ich zuerst aufmachen?«, fragte er und hielt mir die Tür so weit auf, dass ich mit meinen Krücken bequem eintreten konnte.
»In der kleinen Schachtel ist ein Neujahrsgeschenk – italienische Biscotti, die meine Großmutter geschickt hat.« Ich sah mich in dem Apartment um. Das Wohnzimmer war nüchtern und kühl, aber geschmackvoll eingerichtet. Ich bemerkte, dass in der Küche ein Kessel mit kochendem Wasser auf einem weißen Gasherd stand.
»Das ist nett, vielen Dank.« Er stellte die kleinere Schachtel auf den Esstisch und hob dann den Deckel von der anderen ab. »Oh.« Behutsam strich er mit den Fingerkuppen über die roten Rosen, deren getrocknete Blütenblätter leise knisterten. »Ich
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