Aura – Verliebt in einen Geist: Band 1 (German Edition)
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Megan stand in der Lobby, verteilte Faltblätter mit dem Ablauf der Trauerfeierlichkeiten an die Besucher und führte sie zu den entsprechenden Räumen. Seit sie sechzehn geworden war, arbeitete sie im Beerdigungsinstitut ihrer Eltern mit, sodass die McConnells den Hinterbliebenen einen Extraservice bieten konnten. Gegen einen Aufpreis kam Megan zu den Verstorbenen nach Hause, um herauszufinden, ob sie zu Geistern geworden waren und eventuell einen letzten Wunsch hatten. Meistens waren diese Wünsche ziemlich skurril.
Aus Rücksicht auf ihre trauernde Klientel hatte sie sich die Haare so zurückgebunden, dass die grüne Strähne kaschiert wurde, und trug einen zartrosa Lippenstift statt des fast schwarzen, den sie sonst benutzte. Gerade führte sie ein älteres Paar zu einem der Abschiedsräume, vor dessen Tür in einem Ständer ein kleines Schild steckte: EDITH MASTERSON . Bestimmt war das die Frau mit den beiden Ehemännern.
Anschließend eilte sie auf mich zu und umarmte mich. »Er sieht genau so süß aus wie immer«, flüsterte sie mir ins Ohr.
Wahrscheinlich sollte mich das trösten.
»Logans Großmutter ist draußen«, erzählte ich.
»Ich weiß«, sagte sie, während sie Gina zur Begrüßung ebenfalls umarmte. »Dylan hat sich vorhin lange mit ihr unterhalten.«
In diesem Moment kamen sechs Jungs hereingeschlendert, die nicht aussahen, als würden sie sich in ihren schwarzen Anzügen mit Krawatte sonderlich wohlfühlen. Ich erinnerte mich an sie von dem Gig im Gemeindezentrum, und mir stiegen sofort Tränen in die Augen, als ich daran dachte, dass es das letzte Konzert der Keeley Brothers gewesen war.
»Oh, das sind Freunde von Mickey!«, sagte Megan. »Die muss ich schnell begrüßen.« Sie drückte mir zwei grüne Faltblätter in die Hand, beugte sich vor und gab mir einen Kuss. »Du schaffst das, meine Süße.«
Mir zitterten die Knie, als wir auf den Saal zugingen, und ich umklammerte Ginas Hand so fest, dass ich Angst hatte, sie ihr zu brechen. Aber sie erwiderte den Druck genauso fest.
In dem dämmerig beleuchteten Raum drängten sich Hunderte von Trauergästen. Als ich mich in die lange Schlange der Kondolierenden im Mittelgang einreihte, erinnerte ich mich an die Aufbahrungsfeiern für meine Großtanten und Großonkel aus Philadelphia, auf denen ich gewesen war. Wir waren an den engsten Angehörigen vorbeigeschritten, hatten sie umarmt und ihnen unser Beileid ausgesprochen, anschließend eine angemessene Zeit vor dem offenen Sarg gekniet und uns dann irgendwo im Saal einen Platz gesucht. Eigentlich war es immer ganz undramatisch gewesen.
Aber im Gegensatz zu ihnen war Logan nicht im hohen Alter friedlich entschlafen, sondern hatte sein ganzes Leben noch vor sich gehabt. Und das spiegelte sich überdeutlich in der Stimmung der Menschen, die gekommen waren, um sich von ihm zu verabschieden. Die leise aus den Boxen hallende Orgelmusik war kaum zu hören, weil alle um uns herum weinten, immer wieder fassungslos »Ich kann es noch gar nicht glauben« stammelten und sich schluchzend in den Armen lagen. Ich dachte an die Beerdigung meiner Mutter, die bestimmt genauso traurig gewesen war, und musste sofort wieder gegen Tränen ankämpfen.
Du schaffst das, versuchte ich mir stumm Mut zuzusprechen und atmete ein paarmal tief ein und aus .
Als ich aufblickte, sah ich, dass die Leute Platz machten, um Siobhan und Mickey durchzulassen. Unwillkürlich streckte ich die Hände nach ihnen aus, worauf Siobhan auf mich zulief und mich an sich drückte.
»Ich halte es nicht mehr lange hier aus«, flüsterte sie mir mit erstickter Stimme ins Ohr. »Dylan kann jetzt schon nicht mehr. Er hat sich auf dem Männerklo verbarrikadiert.«
Mickey hatte sich seine blauschwarzen Haare mit den blonden Strähnchen wieder in dem gleichen Haselnussbraun gefärbt, das auch Logans Haare gehabt hatten, bevor er sie vor zwei Jahren gebleicht hatte. »Wie sie uns alle anstarren«, stieß er wütend hervor. »Als würden wir uns nicht schon schuldig genug fühlen.«
»Zu Recht«, schluchzte Siobhan. »Nachdem uns der Typ das Koks angeboten hat, hätten wir besser auf Logan aufpassen sollen. Und wir hätten nicht zulassen dürfen, dass er auf der Party so viel trinkt.«
»Hör auf, dich fertigzumachen, Siobhan.« Mickey fuhr sich durch die Haare, die ihm jetzt in weichen Wellen über die Ohren fielen, statt wie sonst zu Stacheln gegelt in die Höhe zu stehen. »Komm, wir besorgen dir ein Glas Wasser und gehen kurz
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