Aura – Verliebt in einen Geist: Band 1 (German Edition)
nach draußen, um frische Luft zu schnappen.«
Die Schlange hatte sich ohne mich weiterbewegt. Gina stand jetzt ein paar Meter weiter vorn und winkte diskret nach mir. Ich verabschiedete mich von Logans Geschwistern und schloss zu ihr auf. Von meinem Platz aus konnte ich zum ersten Mal den Sarg im hinteren Teil des Raums sehen. Er wurde von einem Deckenstrahler angeleuchtet, sodass es aussah, als würde ein himmlischer Lichtstrahl auf ihn fallen. Die davor knienden Leute verdeckten allerdings den Blick auf Logan.
Du schaffst das.
»Arme Mrs Keeley.« Gina schüttelte mitleidig den Kopf. »Sie sieht aus, als wäre sie mit Beruhigungsmitteln vollgepumpt. Ich kann es ihr nicht verdenken. Ich weiß nicht, wie ich es aushalten würde, wenn dir jemals etwas zustoßen sollte.«
Logans Mutter, die ein schwarzes Kleid und einen Hut trug, den sie sich tief in die Stirn gezogen hatte, blickte mit glasigen Augen teilnahmslos ins Leere und nahm die tröstenden Worte der Trauergäste mit einem mechanischen Nicken entgegen. Ihr Mann, der neben ihr stand, schien dem Schmerz dagegen in seiner ganzen Tragweite ausgeliefert zu sein. Es kostete ihn sichtlich all seine Kraft, sich aufrecht zu halten.
Die Schlange vor dem Sarg rückte weiter und schließlich sah ich ihn.
Eisige Kälte kroch in mir hoch und lähmte mich so, dass ich nicht einmal mehr blinzeln konnte.
Sie hatten ihm die Haare in den ursprünglichen Farbton zurückgefärbt und ihn in einen dunkelblauen Anzug mit roter Krawatte gesteckt, in dem er älter und zugleich jünger aussah. Wie ein Junge, der sich als Börsenmakler verkleidet hat.
Aber nicht wie Logan.
»Warum haben sie ihn nicht einfach …«, stammelte ich fassungslos. »Warum mussten sie …?«
Durch die Tränen, die mir in die Augen schossen, sah ich verschwommen Ginas blonde Haare, als sie mich an sich zog und festhielt.
»Mein Liebling, es tut mir so leid.« Ihre Stimme brach. »Das hätte niemals passieren dürfen.«
Sie führte mich zu Logans Eltern. Mrs Keeley blickte durch uns hindurch, als wir ihr die Hand schüttelten, und murmelte nur ein kraftloses »Danke, dass ihr gekommen seid«. Dann stand ich vor Mr Keeley.
»Aura.« Er drückte mich so verzweifelt an sich, dass ich kaum noch atmen konnte. »Ich weiß, dass der Verlust für dich genauso schmerzlich ist wie für uns …«
Ich spürte, wie seine Schultern bebten, und hatte plötzlich schreckliche Angst, er könnte der Last der Trauer nicht standhalten. Ich kannte Mr Keeley seit meiner frühesten Kindheit und er war für mich immer so etwas wie ein Vater gewesen. Umso mehr traf es mich, ihn nun so verloren und gebrochen zu sehen.
»Mr Keeley?« Der Priester trat zu uns und legte Logans Vater behutsam eine Hand auf die Schulter. »Ich hätte noch ein paar Fragen zum Ablauf der Trauerfeier«.
Gina hielt immer noch Mrs Keeleys Hand und sprach leise auf sie ein.
Ich holte zitternd Luft und schritt langsam auf den Sarg zu. Hinter mir im Saal wurde es merklich stiller. Mittlerweile wussten vermutlich alle, dass ich die Letzte gewesen war, die Logan lebend gesehen hatte.
Ich sank neben ihm auf die Knie und sah ihn an. Auf Logans Wangen lag ein unnatürlich gesund wirkender rosiger Schimmer, und seine Lippen waren so voll und rot, wie sie es sonst nur gewesen waren, wenn wir uns stundenlang geküsst hatten. Ich musste daran denken, wie weich sie sich immer angefühlt hatten.
Aber die leblose Hülle, die vor mir in diesem Sarg lag, hatte nichts mit Logan zu tun. Nicht das Geringste. Nicht weil seine Seele bereits fort war, sondern weil diese unbeweglichen Lippen nie wieder küssen, nie wieder singen, nie wieder lächeln würden …
Ich senkte den Kopf, um zu beten oder zumindest so etwas in der Art zu tun. Lieber Gott, lieber Papst, bitte nehmt es mir nicht übel, aber diese Aufbahrung im offenen Sarg ist einfach nur schrecklich. So wie Logan jetzt aussah, wollte ich mich nicht an ihn erinnern.
Ich dachte an unsere letzte Begegnung zurück. Sein Geist hatte genau so ausgesehen wie in dem glücklichen Moment, als wir zusammen im Bett gelegen hatten: das Hemd aufgeknöpft, die Haare von meinen Fingern verwuschelt. Ich versuchte mich daran zurückzuerinnern, wie er zu Lebzeiten gewesen war – also quasi in Multicolor –, aber ich konnte es nicht. Das Violett war stärker. Und trotzdem war mir die Erinnerung an Logan als Geist eine Million mal lieber als dieser präparierte Leichnam.
»Ich weiß ja nicht, wo du jetzt bist, Baby«,
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