Aura – Verliebt in einen Geist: Band 1 (German Edition)
dass Logan nirgends zu sehen war.
Gina schaltete den Motor ab, blieb aber noch im Wagen sitzen. »Ich glaube, es war eine gute Idee, herzukommen, Schatz. Du hast ja selbst gesagt, dass es dir vielleicht dabei hilft, abzuschließen.«
Wann soll ich das gesagt haben? Ich zog mir wortlos die Kapuze meiner Windjacke über den Kopf, nahm das mit Rosen dekorierte Moosherz von meinem Schoß und öffnete die Tür.
Mr Keeley holte gerade einen absurd großen blauen Regenschirm aus dem Kofferraum und ging anschließend damit zur Beifahrerseite, um seiner Frau, die ein Kostüm und hochhackige Pumps trug, beim Aussteigen zu helfen. Als Mrs Keeley auf den nassen Rasen trat, wäre sie beinahe ausgerutscht. Tante Gina eilte zu ihr hin, um sie zu stützen.
Der mit schönen altehrwürdigen Bäumen bestandene Friedhof war wesentlich kleiner als der in Philadelphia, auf dem meine Mutter begraben war. Immer wenn ich in Philly war, besuchte ich ihr Grab, fuhr nach Möglichkeit aber allein hin und nicht mit Gina, damit ich meinen Tränen freien Lauf lassen konnte. Ich wollte ihr nicht das Gefühl geben, sie wäre mir eine schlechte Ersatzmutter.
Logans Geschwister hatten sich wie ich dem Wetter entsprechend mit Regenjacken und festen Schuhen gerüstet.
»Hey. Ich habe dich vermisst!« Siobhan umarmte mich herzlich. »Es ist so still bei uns zu Hause, seit Logan nicht mehr da ist. Und du lässt dich auch nicht mehr bei uns blicken.«
»Ich wusste nicht, ob euch das recht ist.«
»Hey!« Sie drückte mir einen Kuss auf die Schläfe. »Du gehörst doch praktisch zur Familie. Ach, da fällt mir ein …« Sie griff in ihre Tasche, zog einen neongrünen Flyer heraus und drückte ihn mir in die Hand. »Unser nächstes Konzert.«
Erstaunt und auch ein bisschen irritiert, schaute ich auf den Zettel. Wollten sie und Mickey etwa einfach ohne Logan weitermachen, so als wäre nichts passiert?
» THE KEELEYS « las ich und stellte fest, dass auf dem Foto lediglich Siobhan und Mickey zu sehen waren. Sie traten im Green Derby, einem kleinen irischen Pub in Towson, auf. Das Konzert würde Mitte Januar stattfinden. Also kurz nach dem Prozess.
»Es wird ein rein instrumentales Set«, erklärte Mickey, der hinter seine Schwester getreten war. »Traditionelle Folkmelodien, nichts von unseren alten Sachen.«
»Wir haben keine großen Pläne«, ergänzte Siobhan. »Wenn das Semester beginnt, werden wir sowieso so viel für die Uni machen müssen, dass wir keine Zeit mehr für Auftritte haben werden.«
»Und mit Plattenfirmen wollen wir nichts mehr zu tun haben.« Mickey zog sich die Kapuze über die Stirn. »Nie wieder.«
Siobhan warf Tante Gina, die sich ein Stück weit von uns entfernt mit ihren Eltern unterhielt, einen Blick zu und fragte mich dann: »Kommst du zu dem Gig? Das Green Derby ist zwar eine Bar, aber du hast doch bestimmt einen gefälschten Ausweis, oder?«
Ich nickte. »Ich war sogar schon mal dort.« Und zwar mit Logan, was bedeutete, dass er wahrscheinlich auch kommen würde, wenn er bis dahin nicht hinübergewechselt war.
»Wir wollen unser erstes Konzert Logan widmen«, sagte Siobhan traurig. »Und das zweite und das dritte und überhaupt alle Konzerte, die wir noch jemals geben werden.«
Mickey fasste sie sanft am Ellbogen. »Ich glaube, die anderen sind so weit.«
Die beiden schlugen den Weg zum Grab ein, während ich noch auf Dylan wartete.
»Du hast mit Logan gesprochen, stimmt’s?«, sagte er zur Begrüßung. »Diese Woche war es fast schon erträglich mit ihm.«
»Nur fast?«
»Nein, im Ernst. Es war richtig gut drauf.«
»Keine Hitzewallungen oder Ohnmachtsanfälle mehr?«
»Halt bloß die Klappe«, grinste Dylan. »Das klingt ja, als wäre ich eine alte Frau in den Wechseljahren.« Er blieb stehen und wurde wieder ernst. »Ich schwöre dir, meine Übelkeit hatte etwas mit ihm zu tun. Ich hab mir das nicht eingebildet. Logan war drauf und dran, zu mutieren.«
»Wie vielen Schatten bist du denn schon persönlich begegnet, dass du dir da so sicher sein kannst?«
»Drei. Wenn man einmal erlebt hat, wie einem urplötzlich schwindelig wird und man nicht mehr klar denken kann, dann vergisst man das nicht mehr.«
»Ich weiß.« Ich hatte in meinem Leben erst zwei Schatten gesehen, beide im letzten Jahr. Davor war mir nie einer begegnet, und manchmal fragte ich mich, ob es früher überhaupt schon welche gegeben hatte oder ob Schatten ein Phänomen waren, das erst in letzter Zeit entstanden war. Im November waren
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