Auracle - Ein Mädchen, zwei Seelen, eine Liebe (German Edition)
erwidert Rei.
Ich verdrehe die Augen.
Ich weiß ungefähr, wo er ist, aber die Hochspannungsleitungen machen es schwer, seinen genauen Standpunkt ausfindig zu machen. Wenn ich ihn gefunden habe, muss ich dich im Dunkeln zu ihm bringen. Das ist zwar nicht unmöglich, aber ungefährlich ist es nicht.
»Ich mache mir über die Sicherheit Gedanken, du kümmerst dich besser darum, wie du ihn finden kannst. Lass uns gehen.«
Matt kommt mit einer Flasche Wasser für Rei zurück. Also schüttle ich meine überschüssige Energie ab und mache mich wieder unsichtbar. Matt signalisiert Rei, ihm in den ruhigeren Flur zu folgen.
»Entschuldige, dass das so lange gedauert hat. Ich musste in mein Zimmer zurück. Hey, ich wusste gar nicht, dass du Anna mitgebracht hast.«
»Anna?« Rei sieht aus, als hätte ihn jemand beim Spielenmit gezinkten Karten erwischt. »Ich habe Anna nicht mitgebracht.«
»Oh, ich dachte, ich hätte sie bei dir stehen sehen.« Er zuckt mit den Achseln. »Es muss wohl jemand gewesen sein, der ihr ähnlich sieht.«
»Ja, wahrscheinlich. Ich glaube, ich mache mich auf den Weg und suche Seth.«
»Ich komme mit«, bietet Matt an.
»Das musst du nicht tun«, sagt Rei schnell. »Ich wollte einfach durch die Stadt fahren und warten, bis er anruft. Wie lange bist du heute Nacht noch wach?«
»Wer kann bei diesem Lärm schlafen? Normalerweise ist hier bis fünf Uhr früh die Hölle los.«
Ha! Rei wird es an der Uni gefallen. Um fünf Uhr steht er normalerweise auf, um zu trainieren und zu meditieren.
Rei nickt. »Ich werde lange vorher zurück sein. Ich rufe dich an, wenn ich ihn finde. Ganz sicher werde ich dich brauchen, um ihn zur Vernunft zu bringen und ihn zu überzeugen, sich der Polizei zu stellen.«
Ich mache mich neben ihm sichtbar, als wir zum Parkplatz gehen.
»Also können andere Menschen dich doch sehen.«
Ich zucke mit den Schultern. Aber dass sie mich sehen, heißt noch lange nicht, dass sie auch zugeben, mich sehen zu können.
»Du solltest vorsichtig sein. Matt dachte, dass ich dich mitgebracht habe.«
Ich zucke wieder mit den Schultern. Matt war leicht vom Gegenteil zu überzeugen, also mache ich mir keine Sorgen.
»Hast du Seths exakte Position schon gefunden?«, fragt er noch einmal.
Ich zeige wieder auf sein Handy und tippe:
Nein. Und ich habe dir gesagt, dass ich dich in der Nacht nicht in den Wald bringen will.
»Warum? Ist Seth nicht auch in der Dunkelheit im Wald?«
Ich nicke. Rei lässt sich nicht von seiner Idee abbringen. Ich befürchte, er wird sich jetzt total machomäßig aufführen. »Wenn Seth dort ist, dann kann es für mich nicht gefährlicher sein als für ihn.«
Da kommt es schon. Wie dickköpfig er sein kann! Ich tippe frustriert:
Du kannst nicht sehen, wo du hintrittst. Wenn du fällst und dir den Knöchel brichst, kann ich dir nicht helfen.
»Ich habe mein Handy dabei.«
Wenn die Strommasten Seths Energiemuster unterbrechen, dann kann es sein, dass du wegen der Hochspannungsmasten auch keinen Empfang hast. Ohne Empfang bringt dir das Handy gar nichts.
Rei fährt ziellos in der Gegend herum und ich suche immer wieder nach Seths Energiemuster. Doch es verläuft sich immer wieder bei den Masten.
»Dann bring mich einfach in seine Umgebung und ich finde ihn selbst«, beharrt Rei.
Ich denke nicht daran. Seth könnte überall in einem Umfeld von einer Quadratmeile im Wald sein.
Du brauchst Schlaf. Ich wecke dich, wenn ich ihn finde.
»Anna, was, wenn er sich gar nicht im Wald versteckt? Was, wenn du ihn nicht finden kannst, weil er tot ist?«
20
Ich brauche über eine Stunde, um Rei zu überzeugen, dass Seth unmöglich tot sein kann und dass diese Gedanken ihn nur überkommen, weil er erschöpft ist. Matt bietet Rei das Bett seines Zimmernachbarn an. Aber da die Laken so aussehen, als seien sie seit dem Beginn des Semesters im letzten September nicht mehr gewaschen worden, erfindet Rei eine Ausrede und übernachtet im Auto. Jetzt ist es nach fünf Uhr morgens und Rei liegt in einer ungemütlichen Position auf dem Sitz. Sein innerer Wecker hat noch nicht geklingelt. Gut, ich brauche sowieso noch ein bisschen Zeit.
Die elektrostatische Ladung bei den Hochspannungsleitungen knistert immer noch, aber nur noch halb so stark wie letzte Nacht. Vielleicht liegt es daran, dass es jetzt Tag ist und nicht mehr so viel Elektrizität gebraucht wird. Ich habe keine Ahnung und mir ist es auch egal. Ein kleiner Hoffnungsschimmer erwacht in mir.
Der Wald erstreckt
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