Auracle - Ein Mädchen, zwei Seelen, eine Liebe (German Edition)
supersaugfähiger Tampons (viel Glück damit!) und eine Flasche mit sehr teuer aussehendem Conditioner. Der Rucksack ist schon fast voll.
Wieder unten, öffnet sie einen Schrank, in dem mehrere Reihen von Flaschen mit Alkohol stehen. Sie greift nach einer halb leeren Flasche Wodka, nimmt einen langen Schluckdaraus und seufzt: »Verdammt, wie habe ich dich vermisst.« Dann stopft sie die Flasche in meinen Rucksack, zusammen mit einer vollen Flasche Wodka.
Vorsichtig stellt sie die Alarmanlage wieder ein und schließt hinter sich die Tür zu. Ich beobachte sie lange genug, um zu sehen, dass sie in Richtung Kirche fährt. Ich flitze zu Reis Haus.
Als ich ankomme, sitzt Rei gerade an seinem Computer. Er trägt seine beige Chino-Hose und sein weißes Polohemd. Er googelt schon wieder nach »Exorzismus«, aber als ich auf die Tastatur zeige, rollt er seinen Stuhl zurück.
Sie ist zu sich nach Hause gegangen, um Sachen zu holen.
Er zieht eine Augenbraue hoch, als er das liest. »Was für Sachen denn?«
Zwei Flaschen Wodka.
»Das ist nicht gut.«
Und Kondome.
Rei sieht für eine Minute regungslos auf den Bildschirm. Dann lehnt er sich zurück, schließt die Augen und reibt wieder den Punkt auf seiner Stirn. Als er die Augen wieder öffnet, lehnt er sich vor und starrt noch einmal ein paar Sekunden auf den Bildschirm. »Puh, es steht immer noch da.« Er sieht meinen angsterfüllten Ausdruck. »Anna, mach dir keine Sorgen«, tröstet er mich. »Ich passe auf, dass sie keine Chance bekommt, sie zu benutzen. Wo ist sie jetzt?«
In der Kirche.
»In der Kirche mit einem Rucksack voller Wodka und Kondome«, feixt er. »Entschuldige, aber das ist … « Er schüttelt den Kopf. »Vergiss es.«
Ich ziehe eine Grimasse.
Seth muss in ungefähr zehn Minuten vor Gericht antreten. Ich sehe nach ihm und treffe dich später beim Friedhof.
»Okay, dann bis später.«
Seth in Hand- und Fußfesseln zu sehen, würde Rei das Herz brechen. Seth sieht aus, als hätte er sich die Anziehsachen seines Vaters geliehen. Er trägt eine schwarze Anzughose, die zu kurz ist, und eine dazu passende Anzugjacke, die an den Schultern spannt. Der Anwalt neben ihm trägt einen perfekt sitzenden Anzug, der wahrscheinlich mehr kostet als ein Monatsgehalt von Seths Dad.
Die Anhörung ist furchtbar langweilig. Der Richter sieht aus wie ein dicker Kloß. Auf seiner Nase sitzt eine in Draht gefasste Brille, die ihm ständig herunterrutscht. Ich frage mich, ob er dem Gericht eine Nachricht übermitteln will, indem er die Brille mit seinem Mittelfinger nach oben schiebt. Seth ist nicht überrascht, als die Anklage verlesen wird: Mord. Und der Richter ist nicht überrascht, als Seth antwortet: »Nicht schuldig, Euer Ehren.«
Der Richter neigt seinen Kopf ein wenig zurück, damit er lesen kann, ohne seine Brille abzunehmen. »Im Angesicht der grausamen Natur dieses Verbrechens hat der Staatsanwalt beantragt, dass der Gerichtstermin vorgezogen wird.«
Die Anwälte flüstern und machen Notizen, als Freitag der gleichen Woche als Gerichtstermin festgelegt wird. Die Verteidiger sind einer Meinung: Das lässt ihnen kaum Zeit, den Gerichtstermin vorzubereiten, aber keiner widerspricht dem Richter. Seth steht mit steifen Gliedmaßen von dem Holzstuhlauf, der Gerichtsdiener führt ihn heraus und er schlurft aus dem Gerichtssaal.
Es ist einfach zu deprimierend, ihm in seine Zelle zu folgen. Stattdessen schwebe ich herum und versuche, die seltsame Gerichtssprache zu verstehen. Ich begreife, dass Seth nicht auf Kaution rauskann, weil er schon einmal weggelaufen ist. Ich kapiere, dass sie denken, er hätte Taylor kaltblütig ermordet. Deshalb soll für ihn nicht das Jugendrecht gelten und das, obwohl er erst 17 ist. Aber jetzt rattern die Anwälte Begriffe wie »Augenzeuge« und »eidesstattliche Aussage« und »Beweislast« und »Annaliese Rogan« herunter. Offensichtlich bin ich die einzige Augenzeugin und Taylor soll zusammen mit den Anwälten am Mittwochmorgen um 9 : 00 Uhr zu einer eidesstattlichen Aussage erscheinen. Ich notiere mir im Geiste den Termin, um ihn ja nicht zu verpassen.
Rei lehnt an einer alten Eiche am Rand des Friedhofs und beobachtet, wie die Menge sich um den weißen Sarg versammelt. Als ich meine Hand auf seine Schulter lege, fühlt er meine Schwingungen. Er fasst nach meiner Hand, tätschelt aber nur seine eigene Schulter. »Hi«, begrüßt er mich. Ich male die Buchstaben »H« und »I« auf seinen Rücken. Sein Mund lächelt zwar nicht,
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