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Aurora

Aurora

Titel: Aurora Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Harris
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ausländischen Hotels: Symposien, Konferenzen, Ehrendoktorate – Duberstein behauptete, Adelman habe das Geschichtsstudium zugunsten des Sammelns von Flugkilometern aufgegeben. Aber Kelso mißgönnte ihm seine Ehrungen nicht. Er war gut. Und tapfer. Es hatte vor dreißig Jahren viel Mut dazu gehört, wie er Bücher über die Hungersnot und den Terror zu schreiben, als sämtliche akademischen Fachidioten nur nach Entspannung schrien.
    »Hören Sie, Frank«, sagte er.»Tut mir leid wegen des Abendessens.«
    »Vergessen Sie’s. Sie hatten eine bessere Verabredung?«
    »Könnte man sagen.«
    Der Erfrischungsraum war an der Rückseite des Instituts, mit Ausblick auf einen Innenhof, in dessen Zentrum, umgekippt und zwischen Unkraut, zwei Statuen lagen, die von Marx und Engels – zwei Herren aus der viktorianischen Zeit, die ein Morgennickerchen machten und sich vom langen Marsch durch die Geschichte ausruhten.
    »Es macht denen hier nichts aus, die beiden vom Sockel zu holen«, sagte Adelman. »Nichts leichter als das. Die beiden sind Ausländer. Und einer von ihnen ist zudem Jude. Erst wenn sie Lenin herunterholen – dann wissen wir, daß sich das Land wirklich verändert hat.«
    Kelso nahm einen Schluck Kaffee. »Gestern abend war ein Mann bei mir.«
    »Ein Mann? Ich bin enttäuscht.«
    »Darf ich Sie um Ihren Rat bitten, Frank?« Adelman zuckte die Achseln. »Schießen Sie los.«
    »Unter vier Augen?«
    Adelman strich sich übers Kinn. »Kennen Sie den Namen dieses Mannes?«
    »Natürlich kenne ich seinen Namen.«
    »Seinen wirklichen Namen?«
    »Woher soll ich wissen, ob es sein wirklicher Name ist?«
    »Dann seine Adresse? Hat er Ihnen seine Adresse genannt?«
    »Nein, Frank, er hat seine Adresse nicht genannt, aber er hat das hier zurückgelassen.«
    Adelman nahm seine Brille ab und brachte das Streichholzheftchen ganz nahe an seine Augen heran. »Da hat man Sie bestimmt reingelegt«, sagte er schließlich und gab es Kelso zurück. »Ich würde die Finger davon lassen. Und wer hat schon einmal etwas von einer Bar gehört, die ›Robotnik‹ heißt?
    ›Arbeiter‹ Das gibt’s doch nicht.«
    »Aber wenn er mich nur reinlegen wollte«, sagte Kelso und wog das Streichholzheft in der Hand, »warum sollte er dann so überstürzt abhauen?«
    »Ganz einfach – weil er nicht wollte, daß Sie ihm auf die Schliche kommen. Er will, daß Sie sich damit beschäftigen – ihn aufspüren, um ihn dazu zu überreden, daß er Ihnen bei der Suche nach den Papieren hilft. Das ist die Psychologie, die einem cleveren Schwindel zugrunde liegt – die Opfer jagen einer Sache dermaßen nach, daß sie am Ende glauben wollen, daß alles wahr ist. Erinnern Sie sich an die Sache mit den Hitler-Tagebüchern. Entweder das, oder er ist ein Irrer.«
    »Er war sehr überzeugend.«
    »Das sind Irre oft. Oder es sollte nur ein übler Streich sein. Jemand will Sie zum Narren halten. Haben Sie daran schon gedacht? Sie sind nicht gerade der beliebteste Schüler in der Klasse.«
    Kelso schaute den Korridor entlang in Richtung Vortragssaal. Das war keine schlechte Theorie. Es gab eine Menge Leute, die ihn nicht ausstehen konnten. Er war in zu vielen Fernsehsendungen aufgetreten, hatte zu viele Zeitungsartikel geschrieben und zu viele von ihren nutzlosen Büchern rezensiert. Saunders stand an der Ecke und tat so, als unterhielte er sich mit Moldenhauer, aber beide Männer versuchten ganz offensichtlich zu hören, was Kelso mit Adelman besprach. (Saunders hatte sich nach Kelsos Vortrag bitter über seine »Subjektivität« beschwert: »Da fragt man sich doch, weshalb er überhaupt eingeladen worden ist. Man hatte doch den Eindruck erweckt, daß es sich hier um ein Symposium für ernsthafte Wissenschaftler handelte…«)
    »Dazu haben die nicht genügend Grips«, sagte Kelso. Er winkte den beiden zu und freute sich, als sie rasch aus seinem Blickfeld verschwanden. »Oder Phantasie.«
    »Auf alle Fälle haben Sie ein ganz besonderes Talent, sich Feinde zu machen.«
    »Sie kennen doch die Redensart: Viel Feind, viel Ehr.« Adelman öffnete den Mund, um etwas dazu zu sagen, doch dann schien er es sich anders überlegt zu haben. »Wie geht es Margaret, wenn ich fragen darf?«
    »Wem? Ach so, Sie meinen die arme Margaret. Der geht’s gut, danke für die Nachfrage. Sie ist wohlauf und munter. Den Anwälten zufolge.«
    »Und den Jungen?«
    »Die genießen den Frühling ihrer Adoleszenz.«
    »Und das Buch? Es ist eine Weile her, seit wir zuletzt darüber

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