Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Aurora

Aurora

Titel: Aurora Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Harris
Vom Netzwerk:
sagte sie noch einmal. Sie legte den Kopf in den Nacken und blies Rauch zur Decke hoch. »Was macht er da draußen?«
    »Ich werde ihm sagen, daß er sich beeilen soll.« Draußen saß O’Brian auf dem Fahrersitz eines Toyota-Geländewagens und legte in eine winzige Videokamera eine neue Batterie ein. Beim Anblick des Toyota brach bei Kelso wieder der Angstschweiß aus. »Sie fahren keinen BMW?«
    »Einen BMW? Ich bin doch kein Manager. Weshalb sollte ich?«
    Das Feld war verlassen. Der alte Mann mit dem Spaten war verschwunden.
    »Sinaida dachte, wir wären vom Flughafen aus von einem BMW verfolgt worden. Siebener-Reihe.«
    »Siebener-Reihe? Das ist ein Mafia-Auto.« O’Brian stieg aus dem Toyota aus und hielt die Kamera vors Auge. »Ich würde nicht viel auf das geben, was Sinaida sagt. Sie ist verrückt.« Das Schwein kam aus seinem Pferch hervor und trabte auf sie zu, wohl in der Hoffnung auf etwas zu fressen. »Komm, Schweinchen.« Er begann, es zu filmen. »Wie heißt es doch gleich? ›Ein Hund schaut zu einem auf, eine Katze schaut auf einen herab, aber ein Schwein schaut einem direkt in die Augen.‹« Er drehte sich um und richtete die Kamera auf Kelsos Gesicht. »Lächeln, Professor. Ich werde Sie berühmt machen.«
    Kelso hielt die Hand vor die Linse.
    »Hören Sie, Mr. O’Brian…«
    »R. J.«
    »Und wofür steht das?«
    »Alle Leute nennen mich R. J.«
    »Okay, R. J. Sie dürfen mich filmen, wenn Sie darauf bestehen. Aber unter drei Bedingungen.«
    »Und die wären?«
    »Erstens hören Sie auf, mich ständig Professor zu nennen. Zweitens, Sie halten Sinaidas Namen da raus. Und drittens, nichts von alledem – keine Sekunde davon, verstanden? –, wird veröffentlicht, bevor dieses Notizbuch oder was immer es auch sein mag von Sachverständigen für echt erklärt worden ist.«
    »Einverstanden.« O’Brian ließ die Kamera in die Tasche gleiten. »Und es mag Sie vielleicht überraschen – aber auch ich habe einen Ruf, auf den ich achten muß. Und nach allem, was man so hört, Doktor, ist er erheblich besser als Ihrer.«
    Er richtete eine Fernbedienung auf den Toyota. Die automatische Verriegelung piepte. Kelso warf einen letzten Blick in die Runde und folgte O’Brian dann in die Garage.
    O’Brian ließ Kelso den Werkzeugkasten ins Versteck zurückschaffen und ihn erneut herausziehen. Das mußte Kelso zweimal tun, wobei O’Brian ihn einmal von vorn und einmal von der Seite filmte. Sinaida beobachtete sie genau, achtete aber sorgfältig darauf, daß sie nicht mit aufs Bild kam. Sie rauchte unaufhörlich und hielt einen Arm schützend über dem Magen. Als O’Brian endlich hatte, was er brauchte, trug Kelso den Kasten hinüber zur Werkbank und stellte die Lampe dicht daneben. Der Kasten besaß kein Schloß, sondern nur je eine gefederte Schließe an beiden Enden. Die Schließen waren offensichtlich kürzlich gereinigt und geölt worden. Eine war abgebrochen. Die andere ließ sich öffnen.
    Dann mal los, mein Junge!
    »Ich möchte«, sagte O’Brian, »daß Sie beschreiben, was Sie sehen. Liefern Sie einen Kommentar.«
    Kelso betrachtete den Kasten.
    »Haben Sie irgendwelche Handschuhe?«
    »Handschuhe?«
    »Wenn das, was hier drinsteckt, echt ist, müßten Stalins Fingerabdrücke darauf sein. Und die von Berija. Ich möchte die Beweise nicht verwischen.«
    »Stalins Fingerabdrücke?«
    »Natürlich. Haben Sie noch nie was über Stalins Finger gehört? Der Parteidichter Demjan Bedny hat sich einmal beklagt, er verleihe seine Bücher nur höchst ungern an Stalin, weil er sie immer mit fettigen Fingerabdrücken zurückbekomme. Das war Ossip Mandelstam – einem wesentlich bedeutenderen Dichter – zu Ohren gekommen, und er verwendete das Bild in einem Gedicht über Stalin:›Seine Finger sind so fett wie Maden.‹«
    »Wie hat Stalin darauf reagiert?«
    »Mandelstam starb in einem Arbeitslager.«
    »Darauf hätte ich wohl selbst kommen müssen.« O’Brian suchte in seinen Taschen. »Okay: Handschuhe. Hier.«
    Kelso zog sie an. Es waren dunkelblaue Lederhandschuhe, die ihm etwas zu groß waren, aber ihren Zweck erfüllten. Er lockerte die Finger – wie ein Chirurg vor der Transplantation, dachte er, wie ein Pianist vor dem Konzert. Er mußte lächeln und warf einen Blick auf Sinaida. Ihr Gesicht war verkrampft. Das von O’Brian war jetzt von der Kamera verdeckt.
    »Okay, Kamera läuft. Das Tempo bestimmen Sie.«
    »Also. Ich mache den Deckel auf, er ist… verklemmt… wie nicht anders zu…

Weitere Kostenlose Bücher