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Aurora

Aurora

Titel: Aurora Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Harris
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Plastikfolie eingehüllt, auf dem Rücksitz. Um sie herum war eine Unmenge von Ausrüstungsgegenständen und Vorräten aufgehäuft: zwei Schlafsäcke, Thermo-Unterwäsche («Haben Sie Thermo-Zeug, Fluke? Ohne das geht’s einfach nicht!«), zwei wasserdichte und pelzgefütterte Jacken, Gummistiefel, Militärstiefel, ein normales Fernglas, ein Nachtglas, ein Spaten, ein Kompaß, Wasserflaschen. Tabletten zum Reinigen von Wasser, zwei Sechserpacks Budweiser, ein Karton mit Hershey-Schokoladenriegeln, zwei mit Kaffee gefüllte Thermosflaschen, Nudelfertiggerichte, eine Taschenlampe, ein Kurzwellentransistorradio, Reservebatterien, ein Reisekessel, der am Zigarettenanzünder des Wagens angeschlossen werden konnte – danach gab Kelso die Bestandsaufnahme auf.
    Auf der Ladefläche des Toyota standen die Benzinkanister und vier starre Koffer mit der Aufschrift SNS, deren Inhalt O’Brian mit dem Stolz des Fachmanns beschrieb: ein digitalisierter Mini-Camcorder; ein Inmarsat-Satellitentelefon; ein Laptopgroßes DVC-PRO-Gerät zum Bearbeiten von Videos und etwas, das er eine »Toko Video Store und Forward Unit« nannte. Gesamtwert dieser vier Geräte: 120.000 Dollar.
    »Haben Sie schon einmal etwas vom Reisen mit leichtem Gepäck gehört?« fragte Kelso.
    »Leicht?« O’Brian grinste. »Leichter geht es gar nicht. Mit den vier Koffern da hinten kann ich das anstellen, wozu man früher sechs Leute und einen Laster voll Gerätschaften gebraucht hat. Wenn hier irgendwelches überflüssiges Gepäck an Bord ist, mein Freund, dann sind Sie es.«
    »Es war nicht meine Idee, daß ich mitfahre.«
    Aber O’Brian hörte nicht zu. Dank diesen Koffern, sagte er, umfaßte sein Arbeitsfeld die ganze Welt. Hungersnöte in Afrika. Der Völkermord in Ruanda. Die Bombe in dem nordirischen Dorf, deren Hochgehen er gefilmt hatte (dafür hatte er einen Preis erhalten). Die Massengräber in Bosnien. Die Marschflugkörper in Bagdad, die in Dachhöhe durch die Straßen gondelten – links, dann rechts, dann abermals rechts, und wo bitte geht’s zum Palast des Präsidenten? Und dann war da natürlich Tschetschenien. Also, das Problem mit Tschetschenien…
    (Du bist ein Unglücksvogel, dachte Kelso. Du umkreist die Erde, und wo immer du landest, da gibt es Hungersnot und Tod und Verheerung; in einer früheren und leichtgläubigeren Zeit hätten sich die Einheimischen zusammengerottet und dich mit Steinen vertrieben…)
    … das Problem mit Tschetschenien, sagte O’Brian, war, daß sie dort gerade Schluß gemacht hatten, als er ankam, deshalb hatte er seine Zelte für eine Weile in Moskau aufgeschlagen. Also, das war eine Stadt, die einem Angst machen konnte.
    »Sarajewo ist nicht halb so schlimm.«
    »Wie lange gedenken Sie in Moskau zu bleiben?«
    »Nicht lang. Bis zur Präsidentschaftswahl. Das dürfte amüsant werden.«
    Amüsant?
    »Und anschließend?«
    »Keine Ahnung. Weshalb fragen Sie?«
    »Ich will nur sichergehen, daß ich dann nicht in der Nähe bin, das ist alles.«
    O’Brian lachte und trat aufs Gaspedal. Der Tachometer kletterte auf 130.
    Sie behielten dieses Tempo auch noch bei, als der Tag schon langsam in die Dämmerung versank. O’Brian redete unaufhörlich. (Himmel, kann diese Mann denn nie den Mund halten?) Bei Rostow verlief die Straße neben einem großen See. Boote, die für den Winter festgemacht und mit Planen abgedeckt waren, lagen an einer Mole, dicht neben einer Reihe von Holzgebäuden mit geschlossenen Läden. Weit draußen auf dem Wasser konnte Kelso ein einsames Segelboot mit einer Laterne am Heck sehen. Er beobachtete, wie es in den Wind drehte und auf die Küste zusteuerte, und spürte, wie ihn abermals die vertraute Dämmerungsdepression überkam.
    Jetzt konnte er Stalins Papiere hinter sich fast körperlich fühlen, als säße der Generalsekretär mit ihnen im Wagen. Er machte sich Sorgen um Sinaida. Er hätte jetzt gern einen Drink gehabt oder wenigstens eine Zigarette geraucht, aber O’Brian hatte den Toyota zur rauchfreien Zone erklärt.
    »Sie sind nervös«, sagte O’Brian und unterbrach sich damit selbst. »Das ist nicht zu übersehen.«
    »Können Sie mir das verübeln?«
    »Weshalb? Wegen Mamantow?« Der Reporter machte eine wegwerfende Handbewegung. »Vor dem habe ich keine Angst.«
    »Sie haben nicht gesehen, was er dem alten Mann angetan hat.«
    »Ja, aber uns würde er das nicht antun. Nicht einem Briten und einem Yankee. So verrückt kann er gar nicht sein.«
    »Vielleicht nicht. Aber er könnte

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