Aurora Komplott (Thriller) (German Edition)
oder von einem anderen Dienst
aufgetaucht. Nein, die Schlüssel befanden sich noch fest im Anzug eingenäht. Es
beruhigte Schukow, dass die Früchte, deretwegen er alle Mühen und Strapazen auf
sich genommen hatte, noch unberührt waren. Nun galt es, die Erträge zu sichern.
Sein Handeln, seine Überlegungen würden fortan nur diesem Ziel dienen. Dieser
Ertragssicherung musste sich alles andere unterordnen. Instinktiv wusste er,
dass er diesbezüglich obsiegen würde. Insgesamt war seine Situation schlechter,
als er erhofft und erwartet, aber viel besser, als er befürchtet hatte.
Offensichtlich hatte es sich dieser Hanson zur
Lebensaufgabe gemacht, die Morde mit allen legalen und illegalen Mitteln zu
klären. Dieser polizeiliche Ehrgeiz ließ sich operativ und offensiv nutzen.
Schukow wusste, er würde diese Tugend, wenn es überhaupt eine war, für seinen
Vorteil nutzen können. Wenn er, ja, wenn er diesen Kriminalbeamten richtig
einschätzte, ließe er sich auf einen Handel ein, wenn dem Bullen der Deal zur
Klärung nur lukrativ genug erscheinen würde. Irgendwie, irgendwo in seinem
Inneren spürte Schukow, dass er diesem Menschen ähnlich war. Die gleiche
knallharte Berufsauffassung, die auch ihm innewohnte, die gleiche Art Grenzen
zu überschreiten, um den beruflichen Erfolg zu sichern. In einer anderen Welt
hätte er sich mit diesem Polizisten anfreunden können. Aber die Situation und
die Zeit in der sie lebten, machte sie zu Feinden, zu Erzfeinden.
Gedanklich formten sich schemenhaft die ersten
Strukturen, die ihn befähigen sollten, diesen Bullen für seine Zwecke
einzuspannen. Jetzt machte es sich bezahlt, dass er bislang in allen
Vernehmungen geschwiegen hatte. Auch die Fragen zur Person quittierte er bis
heute bei jeder Vernehmung mit einem sturen Grinsen. Den ständig wechselnden
Vernehmungsteams der Berliner Kriminalpolizei war auch kein Erfolg beschieden.
Sie würden weiter auf Granit beißen. Das ständige Schweigen würde er auch
weiterhin durchhalten, es war ein Teil seines beginnenden Ränkespiels. Nur er,
Schukow, bestimmte den Zeitpunkt einer Aussage. Bei der nächsten Vernehmung
würde er darauf bestehen, dass er nur von diesem Hanson vernommen werden
wollte, nur dann würde er sich zur Aussage bequemen. Dann würde er mit dem
Ränkespiel beginnen.
Kapitel 37
Kiel, Polizeipräsidium, Dienstag, 09.05.1995,
09.25 Uhr
Dreihundert Kilometer westwärts saß ein
Polizeipräsident in seinem Kieler Dienstzimmer und überlegte angestrengt, wer
anstelle Hansons die Ermittlungen weiter führen sollte. Die dramatische Wendung
der Mordermittlungen hatte nicht nur seinen besten Mann außer Gefecht gesetzt,
nein, nun war er auch noch durch die schwere Verwundung persönlich involviert.
Schon alleine deswegen durfte Hanson die Ermittlungen nicht weiter führen.
Hanson musste ausgetauscht werden. Das interne, von ihm selbst initiierte
Regelwerk ließ keine andere Möglichkeit zu, wollte er nicht seine eignen
Vorschriften unterlaufen. Wolff trat an das Fenster seines Büros und schaute in
die dunklen Wolken des von Osten heraufziehenden Gewitters. Seine Stimmung tat
es dem Wetter gleich, sie verfinsterte sich im gleichen Maße wie der
wolkenverhangene Himmel. Der aufbrausende Sturm zauste in den Bäumen. Eine
kräftige Windbö wirbelte eine alte Zeitung an seinem Fenster vorbei. Gottlob,
dachte Wolff, sind die Schlagzeilen von der Schießerei im Berliner Amberainzwischen
weniger fett und beherrschen nicht mehr die Titelseiten, wie noch vor wenigen
Tagen. Wenn überhaupt wurde im lokalen Teil nur noch kurz über den Fortgang der
Ermittlungen berichtet.
Wer sollte Hanson ersetzen? Ihm fiel spontan nur
Haller ein, ruhelos, tatkräftig und temperamentvoll, zu temperamentvoll, wenn
es um Sittentäter ging. Haller hatte noch nicht begriffen, dass sein
Temperament sein gefährlichster Feind war, viel zu oft stand es ihm in der
Vergangenheit im Weg. Zweifellos besaß er die mentale und geistige Begabung,
eine Kommission zu führen, keine Frage. Hatte er auch die Erfahrung? Nein, sie
fehlte ihm. Wo auch sollte Haller Erfahrung gesammelt haben, so jung wie er
war. Erfahrung und die handwerklichen Fertigkeiten besaß Pelka zur Genüge. Ihm
mangelte es aber an einem gerüttelt Maß an Stressstabilität und Gelassenheit.
Es war ein kriminalistisches Muss, Hanson von
diesem Fall abzuziehen, zu sehr war er persönlich involviert. Persönlicher kann
man gar nicht betroffen sein, als einen Pistolenschuss von seinem
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