Aurora Komplott (Thriller) (German Edition)
Angebot, das Schukow nicht ablehnen konnte.
Genau, über diese Banden musste die Kugel
gespielt werden. Das war der Deal, den er dem Oberst vorschlagen würde. Das war
der Königsweg, den Hanson gehen wollte. Seine Gedanken durcheilten diesen Weg,
an dessen Ende nur die eine Frage stand: was wird freigelegt, wenn der
hochintelligente Stratege kooperiert und die Zielrichtung seines Handelns
bekennt? Ein Gefühl der Zuversicht breitete sich in Hanson aus. Er würde die
Fassade seines Widersachers bröckeln lassen, sie vielleicht auch zum Einsturz
bringen können und am Ende des Weges triumphieren. Er würde den Oberst knacken,
würde Erfolg haben.
Eine perverse Definition für einen solchen
Erfolg, dachte Hanson noch grimmig, dem eine verbogene Wahrheit zu Grunde
liegt. Dieser kleine Wermutstropfen ficht ihn aber nicht sonderlich an. Seine
Unrast war gewichen. Hanson fühlte sich erleichtert.
Kapitel 36
Berlin, Justizvollzugsanstalt Moabit, Lazarett,
Dienstag, 09.05.1995, 07.40 Uhr
Ein gewaltiges Gewitter zog über Berlin hinweg.
Fast glaubte Schukow, die Donnerschläge ließen das Gefängnislazarett bis zu den
Grundfesten erzittern. Sein Schulterdurchschuss war versorgt worden, der Arm
bis über den Ellenbogen in Gips fixiert.
Gallenbitter überdachte er seine Situation. Mit
welcher Selbstüberschätzung hatte er den Derringer gezogen, um damit dem
Kriminalbeamten zu drohen. Glaubte er tatsächlich, mit einer Geiselnahme sich
der Festnahme entziehen zu können? Nein, diese Aktion war keine Paradenummer,
sie war nicht zu Ende gedacht, wie es sein Lebensprinzip stets von ihm
einforderte. Er hätte sich rechtzeitig an die Gravur auf seiner Taschenuhr
erinnern sollen. Nun aber war es zu spät und er war auf einen Gegner gestoßen,
den er lange Zeit unterschätzt hatte. Langsam ahnte er die Entschlossenheit
seines Widersachers. Die stählerne Spannkraft, mit der der Bulle den Fauststoß
in seinen Magen führte, war ihm nicht zuzutrauen. Viel gefährlicher aber dürfte
sein kriminalistisches Potential sein. Das kurze Zwiegespräch, die wenigen
gewechselten Sätze vor dem Schusswechsel ließen einen beängstigend guten und
entschlossenen Kriminalbeamten erkennen, der seinen schwierigen Job
hervorragend zu erledigen wusste. Gewiss, der Schuss aus dem Derringer war
nicht bewusst und gewollt abgefeuert worden. Dieses Faktum beruhte nur auf
seinen Aussagen und würde sich als völlig belangloses Detail in den
Gerichtsakten niederschlagen. Er hatte geschossen, er war verantwortlich, er
hatte den Tatbestand des versuchten Mordes erfüllt. Der Einzige, der der
Wahrheit die Ehre zu geben vermochte, war der Bulle selbst. Aber er würde es
nicht tun wollen. Warum auch? So blieb die Tatsache, er, Schukow, würde
verurteilt werden. Mit schlechteren Karten hatte er noch nie ein Spiel
begonnen. Und die Endphase dieses Spiels hatte bereits angefangen. Jetzt war
Psychologie gefragt. Und Schukow wusste, dass er von den psychologischen Ränken
schmieden mehr verstand als dieser Provinzbulle. Das war seine Domäne, darin
war er geschult worden. Es war ein wesentlicher Bestandteil seiner Ausbildung.
Die Frage war eigentlich nur, zu welchen Taten oder Handlungen er die
Polizistenphantasie dieses Bullen noch befähigen konnte. Was war er bereit zu
tun, um den Fall zu klären? Denn eines war klar, durch die bestehenden Gesetze
in diesem Land ließ sich dieser Typ nicht einengen, das hatte er vor der
Schießerei klar und deutlich zu verstehen gegeben. Oder war es die Art und
Weise, wie diese Branche in dieser Republik agierte? Wohl kaum. Schukow wusste,
der Polizist stand unter gewaltigem Druck, unter Zeit- und Erfolgsdruck und war
wild entschlossen, den Fall zu lösen. Anscheinend verpflichtete ihn sein Ego,
Erfolg zu haben. Diese Erkenntnis tat sich Schukow wie ein Himmelsgeschenk dar.
Wenn der Bulle tatsächlich narzisstisch auf sein Ego fokussiert war, sah
Schukow Chancen für sich. Er wusste aus Erfahrung, welch prächtiges Widerlager
dieser Charakterzug für einen psychologischen Hebelarm bot. Jetzt musste
gerettet werden, was gerettet werden konnte. Schukow war sich sicher, die
beiden Schließfachschlüssel in seinem Anzugssaum waren noch nicht gefunden
worden. Wenn, dann wäre auch das hauchdünne Pelürepapier mit dem Zahlenblock
der codierten Telefonnummern seiner Seilschaft aus alter Zeit kein Geheimnis
mehr. Dann wären hier schon andere Kaliber von Vernehmungsbeamten in Begleitung
irgendwelcher Kryptografen aus Pullach
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