Aurora Komplott (Thriller) (German Edition)
Widersacher
einzufangen. Aber dennoch mochte sich Wolff seinem eigenen Diktat nicht beugen.
Wusste er doch viel zu genau, dass hochvertrackte Fälle nur in einer Allianz
mit einer hervorragenden Kriminaltechnik und einem guten Kommissionsleiter zu
lösen waren. Hanson war zu gut, als dass die Kommission auf ihn verzichten
konnte und war mit Gerber eines der besten Gespanne, die er jemals hatte
arbeiten sehen. Zwar bestand bei Hanson fortan die Besorgnis der emotionalen
Befangenheit, denn selbst dieser knochenharte Kriminalist würde zukünftig kaum
ohne Ressentiment dem Obersten gegenübertreten können. Machte das Hanson zu
einem besseren oder schlechteren Ermittler? Eher zu einem besseren
Kriminalisten, war Wolff sich sicher. Hanson würde über sich hinauswachsen und
seine letzten Geistesreserven mobilisieren, um diesen Oberst zur Strecke
bringen zu können. Genau das, was Wolff als Kiels oberster Polizist den Bürgern
der Landeshauptstadt schuldig war, würde Hanson einlösen. Diese Morde mussten
restlos geklärt werden. Wolffs Entschluss stand fest. Nach der Phase der
Genesung sollte Hanson, wenn er wollte, in die Ermittlungen wieder einsteigen.
Sollte aber stets im Hintergrund bleiben und von dort die Zügel führen. Bis
dahin würden Pelka in Kiel und Haller in Berlin in enger Absprache mit Hanson
pro forma die geteilte Kommission führen. Ein salomonischer Entschluss freute
sich Wolff, eines Polizeipräsidenten würdig.
Das Naturschauspiel begann. Die ersten Blitze
zuckten durch die tiefhängende Wolkendecke, gefolgt von unmittelbar
einsetzenden Donnerschlägen. Zeitgleich stürzte ein Regenguss herab, der Kiel
zu ertränken schien und der biblischen Sintflut zur Ehre gereicht hätte. Die
alttestamentarische Katastrophe dürfte kaum schlimmer gewesen sein. Zwischen
dem Donnergetöse gurgelte das Regenfallrohr und signalisierte, die Sturzbäche
nicht bewältigen zu können.
Wieder an seinem Schreibtisch glitt seine Hand
zur Sprechanlage: „Röschen, bitte mit Stenoblock zum Diktat und zwei Kaffee für
uns“.
Die Verfügungen, was die Teilung und Führung der
Kommission für die nahe Zukunft anbetraf sowie die Anschaffungsanweisungen
neuer Techniken, die notwendig waren und sein Vorhaben unterstützen sollten,
waren schnell diktiert. Außenstehende würden zu erkennen glauben, dass Hanson
der Kommission nicht mehr vorstand. Auf einer internen Hausnotiz wurde aber de
facto das Gegenteil notiert. Hanson sollte von seinem Krankenzimmer aus die
geteilte Kommission an der langen Leine führen. Mit PC, Fax, Handy und Internet
dürfte die Kommissionsführung vom Krankenbett aus keine größeren Probleme
darstellen. Und mit Web-Cams ließen sich sogar Konferenzschaltungen zwischen
Kiel, Berlin und Krankenzimmer bewerkstelligen, die gemeinsame Besprechungen
ermöglichten. Im digitalen Zeitalter wollte Wolff in der Kommissionsführung den
Begriff „Unmöglich“ neu definieren und das technische Equipment für sein
Vorhaben schnellstens angeschafft wissen. „Für jeden Beteiligten und das Archiv
eine Kopie, Röschen“. Ein zaghaftes Räuspern ließ Wolff aufhorchen. Er schaute
in das nachdenkliche Gesicht seiner Vorzimmerdame, die viel zu oft sein guter
Geist war. „Röschen, was liegt Ihnen auf der Seele, raus mit der Sprache. Sie
kennen mich, ich liebe konstruktive Kritik“.
„Ich fürchte, Hanson nicht als Kommissionsleiter
abzuberufen, passt nicht in die Landschaft, es kann für die Sache zum Bumerang
werden. Nach dem Schuss auf ihn liegen doch einleuchtende Gründe vor, an seiner
Unbefangenheit gegenüber seinem Widersacher zu zweifeln“.
„Sie haben recht. Hanson wird nur im Hintergrund
die Zügel halten und aktenmäßig nicht mehr in Erscheinung treten. Von heute an
wird kein Vermerk, keine Vernehmung, keine Verfügung, nichts mehr seine
Unterschrift tragen. Er hat offiziell nichts mehr mit den Morden zu tun. Ach,
informieren Sie doch auch den Aktenführer der Kommission, Herrn Peters,
hierüber, äh..., mit einem Augenzwinkern, wenn Sie wissen, wie ich das meine“.
„Habe schon verstanden, Chef.“
„Und Röschen, recht schönen Dank, dass Sie immer
mitdenken, das macht Sie zu einer wertvollen Mitarbeiterin“.
„Danke“.
„Röschen, ich möchte Hanson in der Charité
besuchen und mit ihm die Einzelheiten besprechen. Über was würde er sich
freuen, was wäre als kleines Mitbringsel geeignet?“
„Da werde ich seinen Freund Gerber mal
ansprechen. Der kennt Hanson am besten“.
„Gut,
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