Aurora Komplott (Thriller) (German Edition)
sehr viel von diesem Geld bei mir, das
ich Ihnen aushändigen werde, Frau Schukowa, wenn Sie mir Namen und Funktionen
der Leute nennen, die Ihrem Mann den Auftrag gaben“.
„Namen? Nein, die kann ich Ihnen nicht nennen.
Ich weiß nur, dass sowohl mein Mann als auch andere Gesinnungsgenossen Angst
hatten, dass das vereinte Deutschland wieder marschieren könnte. Ein
Hochtechnologieland wie Deutschland erneut unter Waffen wäre für Russland
brandgefährlich. Ein Kontergewicht, quasi als naturnotwendige Prävention, in
Gestalt der Wiedergeburt einer starken Sowjetunion sollte aus der Taufe gehoben
werden. Das war die idealistische Zielrichtung, der sich mein Mann
unterzuordnen hatte“.
„Jaja, gnädige Frau, was Idealisten verbiegen,
können Realisten kaum noch richten, das lehrt uns doch die jüngste russische
und deutsche Geschichte, nicht wahr“.
„Mag sein, Herr Hanson, dass Sie recht haben.
Ich wusste nur, dass alles mit seiner ehemaligen Tätigkeit im Dienst
zusammenhing und dass diesmal das feindliche, Entschuldigung, das westliche
Ausland das Spielfeld war. Und deshalb auch die hohen Spesen vonnöten waren.
Alles wurde uns per Post und E-Mail zugestellt. All diese Unterlagen habe ich
als Tauschpfand bei mir. Wenn Sie mir jetzt ...“
Donnerwetter, dachte Hanson, sie bedient sich
der deutschen Sprache mit einer Vollendung, die ihn an seinen eignen
linguistischen Fähigkeiten zweifeln ließen. Kein Wunder nach einem
Germanistikstudium und zwanzig Lebensjahren in Deutschland, dachte Hanson.
„Dann nehmen Sie zur Kenntnis, gnädige Frau, so
sauber war der Auftrag und das Handeln ihres Mannes in diesem Lande nicht.
Seine patriotische Gesinnung hat sich wohl im gleichen Maße wie die Zahl der
Nullen seines Kopfgeldes wuchs, verflüchtigt. Er hat es nur wegen des Geldes
getan. Glauben sie mir. Es ist eine banale Tatsache, dass schmutzig wird, wer sich
mit Schmutz befasst. Aber um das Angedenken an ihren Mann nicht zu zerstören,
werde ich keine weiteren Angaben zu Sache machen“. Mist, dachte Hanson, dieser
Frau die Illusionen zu rauben und sie mit der Realität zu konfrontieren, war
völlig überflüssig und nutzte keinem.
Trotz der Dunkelheit bemerkte Hanson eine Spur
von Blässe, die ihr in’s Gesicht schoss und von einer hilflosen Verlegenheit
begleitet wurde. Hanson war sich sicher, die Frau hatte keine Ahnung, in
welcher Mission ihr Mann tatsächlich unterwegs war. Und dass Deutschland wieder
marschieren und aufrüsten würde, war eine Ausrede, die eines KGB-Offiziers mehr
als unwürdig war. Schade, dachte Hanson, sie weiß nichts. Weitere Versuche, sie
abzuschöpfen waren unsinnig. Hanson gab nach und insistierte nicht weiter. „Sie
haben recht, Frau Schukowa, Ihr Mann war für seinen ehemaligen Dienst
unterwegs“.
Mit erstickter Stimme hielt sie Hanson einen
Briefumschlag entgegen und bat, den Tausch dessentwegen sie beide sich hier
getroffen haben, zu vollziehen. Hanson griff seinerseits in die Innentasche
seiner Jacke und reichte ihr den Briefumschlag.
„Do swidanija, Herr Hanson“.
Mit leichter Verbeugung ließ Hanson sein Visavis
von dannen ziehen.
Sie hatte es eilig, dieser Zusammenkunft zu
entfliehen. Nullkommanix war sie in den dunklen Arkaden verschwunden.
Es hatte aufgehört zu regnen. In den Pfützen
spiegelte sich bleich der Mond und aus der Spree waberten silbrige Nebelbänke
heran. Nur durch die löcherige Hausdachrinne pladderten noch dicke Tropfen auf
das Pflaster.
Kapitel 48
Berlin, Rückfahrt nach Kiel, Freitag,
02.06.1995, 01.40 Uhr
Es war zum Verrücktwerden, der Rückweg zu seinem
geparkten Wagen war doch schwieriger, als er sich hätte vorstellen können. Die
markanten Gebäude, die ihm auf dem Weg ins Nikolaiviertel ins Auge fielen,
lagen jetzt im Dunkeln und hatten durch die Straßenbeleuchtung ein völlig
anderes Aussehen. Hanson hatte völlig die Orientierung verloren. Die über der
Spree wogenden Nebelschwaden wabberten hoch und der inzwischen abgebriste Sturm
wälzte sie ins Viertel, was seine Suche nach dem Rückweg zusätzlich erschwerte.
Es schien, als schlafe Berlin. Wo waren die
Passanten, die er nach dem Weg hätte fragen können? Nichts. Und diese
verschlafene Stadt schickt sich an, der Nabel Deutschlands zu werden,
resümierte Hanson gallenbitter. Anscheinend waren die Berliner nachts nur mit
ihren Autos unterwegs. Endlich, Gott sei Dank, allmählich schälten sich die
Konturen des Roten Rathauses aus den Nebelschwaden heraus. Zwischen
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