Aurora Komplott (Thriller) (German Edition)
des neuen Tages.
Es ist immer wieder erstaunlich, wie Zufälle
manchmal nicht nur das tägliche Leben bestimmen. Nein, auch polizeiliche
Ermittlungen werden oft durch den Zufall entscheidend geprägt. War das jetzt
wieder solch ein Glücksmoment für Hanson? Nachdenklich betrachtete er den
Preisaufkleber auf der Schokoladendose und flüsterte den Apothekennamen vor
sich hin. Diese Apotheke kannte er, doch woher? Er hatte weder familiäre noch
andere, sondern nur diese dienstlichen Bindungen, deretwegen er unterwegs war
nach Berlin. Ergo, musste er diesen Apothekennamen aus den Ermittlungsakten
kennen. Genau, Schukow hatte mehrfach und lange mit einer Apotheke telefoniert,
wie es in den Verbindungsnachweisen der Telecom Schwarz auf Weiß ausgedruckt
stand. Aber war es diese Apotheke? Hanson war sich nicht sicher. Nein, diese
Apotheke lag viel zu weit von Schukows Hotel entfernt, als dass es wahrscheinlich
war, dass er sich ihrer bediente, um dort verschriebene Rezepte gegen seine
Krankheit einzulösen. Schukow hatte sich nie erklärt und sich strikt geweigert,
über die Herkunft des Giftes zu reden. Aber ein Pharmazeut musste involviert
gewesen sein. Der Oberst hatte sich mit dem Begriff Apotheose rauszureden
versucht, als ihm der Lapsus „Apotheker“ über die Lippen gerutscht war.
Intuitiv fummelte Hanson wieder nach der Dose vom Beifahrersitz und las ein
zweites Mal den Preisaufkleber. Und jetzt reichte ihm Fortuna wieder einmal die
Hand und brachte Kommissar Zufall ins Spiel. Was für ein Dusel, Hansons
fotografisch geprägtes Gedächtnis rastete ein. Es war tatsächlich der gleiche
Apothekenname, der auf dem Telekom-Ausdruck vermerkt und in den Akten niedergeschrieben
war. „Kommissar Zufall ist eben doch ein tüchtiger Kollege“, flüsterte Hanson
süffisant.
Nur die Müdigkeit hatte ihn veranlasst, vor
dieser Apotheke anzuhalten. Es war ein Glückstreffer! Ein Glückstreffer nach
einem beschissenen Tag.
Sein bleierner Geist kam wieder auf Trab. Mit
der Koffeinschokolade schwang er sich zur Höchstform auf. Hansons Gedanken
spulten per Tempo ab und legten in Windeseile die nächsten Ermittlungsschritte
fest.
Kapitel 49
Kiel, Freitag, 02.06.1995, 05.15 Uhr
Langsam kroch die Sonne über den Horizont und
zauberte in zarten Pastelltönen ein wunderschönes Morgenrot in den Kieler
Morgenhimmel. Hanson sah es mit müden Augen durch die Fernster seines Büros. Es
war zweckmäßig eingerichtet und verfügte neben der üblichen Kommunikations- und
Büroeinrichtung seit kurzem auch über ein Klappbett. Die nächtliche Fahrt von
Berlin hatte er dank der Koffeinschokolade leidlich überstanden. Aber die
mentalen Belastungen und der ständige Schlafmangel, von der Angst, diesen Fall
nicht zu klären, ganz zu schweigen, hatten ein Ausmaß erreicht, das schon fast
eine übermenschliche Psyche und Physis erforderte. Jetzt war er erschöpft. Es
war eine Erschöpfung, die sich von Tag zu Tag überproportional gesteigert hatte
und nun ihren Tribut in der Logik forderte. Trotzdem überlegte er, wie dem
Apotheker beizukommen war. An den auf der Autobahn erdachten Plan konnte sich
Hanson schon nicht erinnern. Es hatte keinen Zweck, sich weiter zu quälen, er
zog seine Schuhe aus, machte sich auf dem Klappbett lang und rollte sich in die
Decke ein. Seine Augenlider schlossen sich von allein. Das letzte, was er hörte
war das Faxgerät, das sich eingeschaltet hatte. Nichts konnte so wichtig sein,
als dass es nicht bis zum Dienstbeginn warten konnte. Wie aus weiter Ferne nahm
er noch wahr, wie sich eine Kurzmitteilung aus dem Papierschlitz schob. Es
interessierte ihn nicht.
Sein eigener Schrei riss ihn aus dem Albtraum.
Immer noch hatte er Schukow vor Augen, wachsblass wie der Tod persönlich schien
er wie in einem Nebel zu stehen, aus seiner Hand fiel der 38er zu Boden und
wandelte sich während des Fallens zu einem Bogen Papier, das nun langsam zum
Erdboden segelte.
Erst als Gerber erschrocken seine Bürotür
aufriss, dämmerte es Hanson, dass er geträumt hatte. Mühsam setze er sich auf
den Feldbettrand und rieb sich den Schlaf aus den Augen. Dann sah er einen
DIN-A4-Bogen, den das Faxgerät auf den Fußboden vor seinen Schreibtisch hatte
gleiten lassen.
„Verdammte Scheiße“, entfleuchte es Gerber, als
er die Nachricht aufhob und flüchtig überflog und sie dann wortlos an Hanson
weiterreichte.
Hanson las:
Justizvollzugsanstalt Kiel ... bla, bla, bla
An Herrn Kriminalhauptkommissar Hanson
bla, bla,
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