Aurora Komplott (Thriller) (German Edition)
dieses Kuvert für
Sie“. Hanson nahm die Unterlagen entgegen.
Er empfand so etwas wie Sympathie für diese
Frau. „Ich, Frau Schukowa, möchte Ihnen ein altes Familienerbstück
zurückgeben“, antwortete Hanson und reichte ihr die Taschenuhr.
„Spasiba, Herr Hanson, danke“.
Ihre Augen irrten nervös von Hanson zur Taschenuhr
hin und her. Dann drehte sie die Rückseite der Taschenuhr in Richtung der
Straßenbeleuchtung und las die kyrillische Gravur: „“.Mit kritischen Blicken
hatte sie das Erbstück erkannt und Hanson als redlichen Überbringer und
Verhandlungspartner identifiziert. Sie stand unter großer Anspannung und war,
als sie die Uhr in ihren Händen hielt, ein wenig erleichtert.
Na, altes Mädchen, erkannte Hanson, geübt bist
du nicht, wenn es um so brisante Tauschgeschäfte geht. Bevor du mir die
geheimen Aurora-Unterlagen gabst, hättest du dich von meiner Wahrhaftigkeit
überzeugen und die Uhr im Vorfeld prüfen müssen. Tief in seinem Inneren keimte
in Hanson die Idee, diese Frau als Quelle anzuzapfen. Bestimmt war sie in der
Lage, Geheimnisse ihres Mannes preiszugeben. Verschlagen und geschickt musste
er vorgehen. Glattzüngig schmeichelte Hanson, „Ihr Deutsch ist so perfekt, dass
ich vermute, dass Sie länger als zehn Jahre mit ihrem Mann in Deutschland
gelebt haben“.
„Ja, es waren knapp zwanzig Jahre. Wir beide
haben nach dem Krieg an der Humboldt-Universität in Berlin Germanistik studiert
und mein Mann noch Theaterwissenschaften. Anschließend war mein Mann in Dresden
stationiert“.
Jetzt oder nie dachte Hanson. „Ja, ich weiß, an
der dortigen KGB-Residentur“, log er auf’s Gratewohl ins Blaue hinein.
Sie sah Hanson schief und misstrauisch an. „Hat
Ihnen das mein Mann erzählt?“
Es war für Hanson an der Zeit, ein
vertrauenswürdiges Lächeln zu investieren. „Natürlich nicht, Frau Schukowa, wir
haben’s ermittelt. Der Oberst selbst hat über KGB-Interna in seiner Dresdener
Zeit natürlich keine näheren Angaben gemacht. Aber seit der deutschen
Wiedervereinigung stehen uns alle exzellent geführten Archive des ehemaligen
Ministeriums für Staatssicherheit offen, auch die Unterlagen der HVA“, beeilte
sich Hanson zu versichern.
„Der H-V-was?
„Unterlagen der Hauptverwaltung Aufklärung, die
wir auch intensiv genutzt haben. Und in diesen Akten ist der Oberst kein
Unbekannter“.
„Ich verstehe. Es war eine schöne Zeit in
Dresden. Viel zu gern haben mein Mann und ich die Vorstellungen in der
Semper-Oper genossen. Doch leider wurde er kurz nach der Wiedereröffnung des
prunkvollen Opernhauses nach Moskau zurück beordert. Schade.“
„Jaja, in die Lubjanka, zurück ins
Hauptquartier, steht alles in den alten Stasi-Akten, die uns von der
Gauck-Behörde zur Verfügung gestellt worden sind“, erwiderte Hanson trocken.
Sie schickte Hanson einen fragenden Blick. „Mir
war schon immer klar, dass im sowjetischen Machtbereich jeder jeden
ausspionierte. Dass sich aber befreundete Dienste gegenseitig bespitzelt haben,
ist mir neu“.
„Seien Sie gewiss, Frau Schukowa, es war so. Die
hinterlassenen Aktenberge der STASI beweisen es“, log Hanson ungeniert weiter.
„Aber sagen Sie Frau Schukowa, was hat ihren Mann veranlasst, sich auf ein
solches Abenteuer einzulassen, mit seiner schweren Erkrankung?“
Über ihr Gesicht legte sich eine Spur von
Traurigkeit. „Herr Hanson, Sie können sich nicht vorstellen, wie ein Oberst
außer Dienst und Träger des Lenin-Ordens im heutigen Russland lebt, ja,
vegetieren muss. Als sich in unserem Land der Kommunismus mit einem tiefen
Seufzer von der Weltbühne verabschiedete, begann die Krise, die für uns in eine
Katastrophe mündete. Und als dann noch zeitgleich der Krebs bei meinem Mann
diagnostiziert wurde, war für uns das Desaster perfekt. Die Odysseen von
Krankenhaus zu Krankenhaus, die wechselnden Therapien und Heilverfahren und die
teuren Medikamente haben unsere letzen Reserven gefressen. All unsere gesparten
Rubel haben wir bis zur letzten Kopeke in die Mäuler der raffgierigen Ärzte
stopfen müssen. Das Angebot, für ein hohes Honorar nach Berlin zu fliegen, kam
zwar unerwartet aber doch zur richtigen Zeit. Ohne großes Zögern hat mein Mann
zugegriffen, er sah keinen anderen Ausweg aus der Bredouille, in der wir
steckten“.
„Sehr geehrte Frau Schukowa, zu ihrer Ehre will
ich mal vermuten, dass Sie keine Ahnung hatten, wofür ihrem Mann das viele Geld
gezahlt worden ist? Oder?“
„Nein!“
„Ich habe
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