Aurora Komplott (Thriller) (German Edition)
brüskieren und die verflixte
Bombe schnellstmöglich nach München zur Analyse transportieren zu lassen“,
wandte sich Hanson mit flehendem Blick an den Präsidenten, als die Gäste den
Raum verlassen hatten.
„Dag, dieses kleine verbale Scharmützel war doch
nur Theaterdonner. Dieser Tintenpisser von Melchert hat immer noch nicht
zwischen einem Donnerwetter und einem Theaterdonner zu unterscheiden gelernt.
Seine einzige Befähigung besteht wohl immer noch in der devoten Befolgung von
Befehlen und der unerschütterlichen Loyalität zu seinen Vorgesetzten, die ihm
diese Mission befohlen haben. Melchert war fortwährend unfähig, ungehorsam zu
sein. Sein devotes Gebaren war stets größer als sein Können, war immer Ersatz
für sein Mittelmaß. Und weil er immer darauf bedacht ist, dass nichts aber auch
gar nichts seiner Karriere schadet, kommt Melchert gleich wieder unter meiner
Tür durchgekrochen, um zu retten, was zu retten ist. Soll er doch glauben, er
habe diese diffizile Operation vermasselt. Ich gebe diesem aufgeblasenen Pavian
noch dreißig Sekunden, dann steht er hier, verbiegt sich und bittet für die
Amis kleinlaut um Entschuldigung. Ich werde mich überzeugen lassen und konziliant
zeigen. Haben Sie Vertrauen, Dag, ich kenne doch diese karrieregeilen Typen. Er
wird versuchen, auf Biegen und Brechen seine Mission zu retten. Sie können die
bereinigte Doppelakte schon zusammenstellen. Dabei verfahren Sie nach dem
bewährten Muster: so viel Informationen wie unbedingt nötig und so wenig wie
möglich“.
„Okay, Chef, ich habe verstanden“.
„Glauben Sie mir, Dag, Ihr Corpus delicti ist
schon so gut wie nach München unterwegs“.
Unerwartet sah Hanson ein siegreiches Blitzen in
Wolffs Augen und seine Stirnfalten glätteten sich.
„Melchert!“, formte Wolff tonlos mit seinen
Lippen. Frau Köhler hatte geräuschlos Wolffs Büro betreten. In ihrem Gefolge
stand Melchert. Dahinter, im Vorzimmer, der CID-Agent, nervös verlagerte er
sein Gewicht von einem zum anderen Bein. In seinem Mundwinkel klemmte eine
Zigarette, an der er fahrig lutschte. Er hatte kapiert, ins Fettnäpfchen
getreten zu sein.
„Röschen, was gibt’s?“
„Herr Melchert bittet um eine erneute
Unterredung“.
Devot und mit gesenktem Blick, als betrachte er
seine Schuhspitzen, folgte Melchert der Vorzimmerdame.
„Herr Kollege, womit wollen Sie nun meine Geduld
strapazieren“, hob Wolff mit Lippen an, die sich geringschätzig zu einem
schmalen Strich geformt hatten, gibt’s noch etwas Wichtiges, haben Sie etwas
vergessen?
Sicher, Wolff kann richtig gallig werden, dachte
Hanson und ist dann auch kein Spaßvogel. Aber das dieser Anschiss eine
wohldosierte Posse war, war dem Alten nicht zuzutrauen. Und als Melchert
anfing, beflissen und biegsam Wolffs Vorwürfe, jeden Satz, jedes Wort
willfährig abzunicken, war es Hanson, als höbe sich eine schwere Last von
seinen Schultern.
Erleichtert machte sich Hanson davon, um den
Transport des Deckels in die Wege zu leiten.
Kapitel 62
Kiel, Polizeipräsidium, Freitag, 16.06.1995,
12.00 Uhr
Der Anruf kam um Punkt zwölf. Gerber griff
verärgert zum Hörer. Es war das vierte Mal, dass er in seinen Ausführungen zur
Spurenlage unterbrochen wurde. Aufmerksam lauschte er in die Hörmuschel, indes
seine Kollegen ungeachtet seines Telefonats weiter diskutierten.
„Psst“, fauchte er und schnitt mit seiner freien
Handfläche in Richtung seiner Kollegen die Diskussion ab. Augenblicklich war
die Debatte verstummt. Haller, Pelka und Hanson schauten sich erst einander
fragend und dann Gerber erwartungsvoll an.
„Hm, lassen Sie mich wiederholen, die
Isotopenvergleichsanalyse hat einwandfrei ergeben, dass der Kanaldeckel in
Grosny, der Hauptstadt Tschetscheniens, gegossen worden ist, ist das so
richtig?“
Gerbers Aufmerksamkeit galt wieder dem
Gesprächspartner am anderen Ende der Leitung.
Wie zur Bestätigung reckte er dann den Daumen
seiner linken Hand in die Höhe und nickte mehrmals mit dem Kopf, seine Augen
sprühten Begeisterung.
Hansons Augen hingegen sahen in die nahe
Zukunft. Mist, dachte er, Russland, Tschetschenien, keine Chance für uns weiterzukommen.
Dieser neue Ermittlungsansatz würde genauso unergiebig sein, als wäre der
Deckel von Luzifer persönlich in der Hölle gegossen worden. Hanson konnte weder
in den Ort der Verdammnis hinabsteigen noch nach Grosny reisen. Die
Ermittlungen steckten fest.
„Das war das Dekanat der physikalischen Fakultät
der
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