Aurora Komplott (Thriller) (German Edition)
unangenehme
Sachstände zwischen den konkurrierenden Zuständigkeiten zerreiben zu lassen,
lächelte der Kanzler müde in sich hinein.
„Noch mal Glück gehabt“, zischte er seinem
Kanzleramtschef befriedigt zu, „und kein Wort über die Feststellungen des
Bundesamtes für Wirtschaft und ..., na, du weißt schon. Zu niemandem ein Wort.
Lass die belastenden Unterlagen auf Nimmerwiedersehen im Giftschrank
verschwinden. Sollte hierüber etwas ruchbar werden, werden wir stumpf dagegen
halten“. Dann senkte der Kanzler seine Stimme, sah sich nach beiden Seiten
verstohlen um und nestelte nervös an seiner Kravatte. Der Minister des
Kanzleramtes kannte dieses Verhaltensmuster seines Chefs. Er wusste, dass er
sich wieder einen Scheißauftrag einfangen würde. „Und sollte uns die Presse
braten wollen, so dass es richtig eng für uns wird, brauchen wir noch ein
Opferlamm, Kategorie Ministerialdirigent und mehr, das wir den Medien
vorwerfen. Du kennst ja das Spiel, je höher die Funktion, desto genüsslicher
wird es von den Schreiberlingen seziert. Du weißt, einvernehmlich mit der
Opposition lassen sich auch gute Leute immer am besten schlachten. Haben wir
eine solche Figur auf der Abschussliste, die wir in irgendeiner Schublade
verschwinden lassen und der wir den ganzen Skandal andichten können? Wenn
nicht, müsste ich mein kleines schwarzes Büchlein zu Rate ziehen. Keine Angst,
auch dieses Ärgernis werden wir aussitzen. Es kommt in der Politik oft nur auf
den äußeren Anschein an. Wir werden unsere Regierungssprecherin an die Front
schicken, sie wird die Presse und den Boulevard schon in Schach halten“.
Und mit beißender Ironie fuhr der Kanzler fort:
„Ich werde unsere Jeanne d’arc des geschliffenen Wortes noch heute hinreichend
instruieren, ohne ihr die komplette Wahrheit zu sagen. Und, für die, die von
der Presse nicht spuren, gehen hier die Jalousien runter und alle Ventile
dicht. Wäre doch gelacht, wenn wir diese Bande nicht im Zaum halten können“.
Kapitel 6
Kiel, Polizeipräsidium, Dienstag, 14.02.1995,
09.45 Uhr
Der Funkstreifenwagen mit Hanson im Fond bog
gerade auf den Innenhof des Präsidiums, als er Gerber aus der Polizeigarage
näher kommen sah. Beide fuhren mit dem Aufzug in die dritte Etage, in der sich
der Besprechungsraum der Mordkommission befand. Wie immer waren ihre Stühle an
den beiden Stirnseiten des Besprechungstisches unbesetzt. Alle Mitglieder der
Mordkommission waren bereits anwesend. Hanson musterte die Kollegen, die die
Längsseiten des Tisches säumten. Müdigkeit und Anstrengung hatten alle
zermürbt. Die vergangenen Stunden, die Schufterei stand ihnen ins Gesicht
geschrieben. Dennoch war die Energie zu spüren, die von den Mitarbeitern
ausging, jeder wusste, dieser Fall würde in der bundesdeutschen
Kriminalgeschichte Beachtung finden, wie zur Zeit der RAF-Morde. Die
neugierigen Augen der Mitarbeiter waren auf Gerber und Hanson gerichtet. Beide
waren in dieser Runde die Macher, die Autoritäten.
„Okay, fangen wir an“, sagte Hanson in die
Stille hinein. „Wir wollen …
Gerade als Gerber sich setzen wollte, klingelte
sein Handy. Mit einer gemurmelten Entschuldigung wollte er das Handy
ausschalten, hielt aber inne, weil er auf dem Display die eingespiegelte
Anrufernummer erkannte und der versammelten Mordkommission verkündete, seine
Leute vom Tatort seien in der Leitung.
Gerber ließ sich auf den Stuhl fallen. Fast
augenblicklich wurde er aschfahl. Alle bemerkten es. Er schien um einige Jahre
gealtert. Das Handy immer noch am Ohr, lehnte er sich in seinen Armlehnenstuhl
zurück, ließ seinen Kopf in den Nacken gleiten, streckte beide Beine aus und
war nicht in der Lage, den Mitarbeitern eine Erklärung über sein merkwürdiges
Verhalten zu geben. Hanson, der seinen Freund kannte, wusste, dass etwas
Schreckliches passiert war.
„Was ist los, was ist geschehen?“ raunte es aus
der Runde. Gerber brauchte noch einige Sekunden, dann ging ein Ruck durch
seinen Körper, er richtete sich wieder auf, räusperte sich kurz und erklärte
mit belegter Stimme, dass soeben die Kollegen der Bereitschaftspolizei den
Kriminalassistenten Bachner erschossen auf dem Feldweg, den abzusuchen er ihm
befohlen hatte, aufgefunden haben. Kaum hatte Gerber seine Erklärung abgegeben,
kroch ihm etwas Ekliges im Hals empor.
Er sprang auf und stürmte aus dem
Besprechungsraum. Lähmendes Entsetzen mit tiefer Betroffenheit über das Gehörte
machte sich breit. Keiner war in der Lage,
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