Aurora Komplott (Thriller) (German Edition)
ermöglichen, was er ihr schon immer hatte
bieten wollen. Die finanzielle Enge war endlich vorbei. Gleich morgen würde er
sich in der Aufnahme der Charité anmelden und in wenigen Wochen dann wieder
seine Frau in den Armen halten. Am meisten freute es ihn aber, dass er nun
seinen Kindern und Enkelkindern die Unterstützung zukommen lassen konnte, die
er ihnen schon lange gewähren wollte und es nie geschafft hatte. Ein Gefühl
unendlicher Erleichterung breitete sich in ihm aus. Er war mit sich zufrieden.
Seine Frau in Moskau würde er von seinem Hotel in Berlin aus anrufen, sie
wartete sicher schon seit Tagen auf seinen Rückruf. Telefonkosten des Amberainteressierten
ihn nicht mehr.
Bevor er die Wohnung verließ, drehte er noch
alle Heizkörperventile dicht. Wärme beschleunigte nur die autolytische
Zersetzung der beiden toten Körper. Nachbarn würden ohnehin viel zu früh den
Verwesungsgestank der beiden Leichen im Hausflur riechen. Behutsam zog er die
Wohnungstür hinter sich ins Schloss, wischte noch die äußeren Türzargen der
Eingangstür ab, an denen er sich beim Lauschen abgestützt hatte und verließ,
wie ein Strauchdieb, auf leisen Sohlen das Wohnhaus. Die pechrabenschwarze
Nacht verschluckte ihn.
Kapitel 15
Kiel, Donnerstag, 30.03.1995, 05.30 Uhr
Mit wahnsinnigen Kopfschmerzen und dem Gefühl,
die ganze Nacht nicht geschlafen zu haben, wachte Hanson auf. Vielleicht hätte
er den Rat der Ärzte nicht ignorieren, sondern seine Gehirnerschütterung
auskurieren sollen. Aber er war ein von der Jagdleidenschaft Getriebener, der
es im Krankenhaus nicht aushielt. Die Berichte der
Kriegswaffenkontrollkommission wirbelten die ganze Nacht durch seinen Kopf, sie
waren in der Sache eindeutig. Aber war der „Doktor, Doktor Sowieso“ mit dem
Staatssekretär Dr. Dr. Beyer identisch? Klar war er gemeint, sonst hätte er
wohl kaum diese Geheimpapiere unter seinem Bootssteg versteckt. Hatte Beyer die
Waffenschiebereien in den Nahen Osten zu verantworten, sich bestechen lassen,
war er korrupt gewesen? Hatte gar der jüdische Geheimdienst wie in Brüssel auch
in Kiel seine Finger im Spiel? War der israelische Mossad für die Morde im
Klosterforst verantwortlich? Noch war nichts bewiesen, noch schien alles
möglich.
Mit schweren Gliedern und hundemüde kroch Hanson
aus den Federn. Dennoch musste er ein wenig geschlafen haben, denn nun saß er
traumverloren auf der Bettkante und versuchte sich zu erinnern. Vergeblich. Vor
dem Spiegel, beim Rasieren, kamen Fetzen sinnlicher Traumszenen in seine
Erinnerung zurück, wie er mit Rebecca in einer Badewanne saß, wie sie sich mit
ihrem Rücken an seine Brust schmiegte und er selbst, aus welchen Gründen auch
immer, ihre Brüste nicht erreichen konnte. So sehr er sich auch in der Wanne
mühte, ihre Brüste waren in unendlicher Weite, für ihn unerreichbar. Langsam
stieg eine unbefriedigte Lust in ihm hoch. Schade, an das Traumende konnte er
sich nicht entsinnen. Es versteckte sich hinter einer Mauer zusammenhangsloser
Bilder, die in keiner noch so abstrusen Beziehung zueinander standen. Nur wirre
Bilder tauchten in seinem Gedächtnis auf.
Frotzelnd nickte er seinem Spiegelbild zu:
„Hanson, wenn du Glück hast, träumst du in der nächsten Nacht die Fortsetzung“.
Dann betrachtete er sich nachdenklich im Spiegel. In jedem seiner Knochen
spürte er seine achtundvierzig Lebensjahre, besonders morgens. Immer deutlicher
kündete sein Spiegelbild, dass seine leibliche Hülle zu welken begann. Grau
begann langsam sein rotes Haupthaar zu überdecken. Aber unter seinen buschigen
Brauen funkelte ein Augenpaar wie eh und je. Interessant, dachte er, eben noch
die Erinnerung an diesen schönen Traum, jetzt eine leichte Sorge über das
Älterwerden. Es hatte wohl miteinander zu tun. Der Altersunterschied zu Rebecca
ließ sich einfach nicht kaschieren. Seine schwermütigen Gedanken wurden jäh
unterbrochen. Aus seiner Küche hörte er den Toaster scheppern. Ein Zeichen,
dass auch gleich der Kaffee durch die Maschine gelaufen war. Seit Hellens Tod
hatte sich morgens ein Handlungsritual eingespielt: aufstehen, Kaffeemaschine
und Toaster anstellen, rasieren, Zähne putzen, frühstücken, duschen und
anziehen. Dieses Ritual war die einzige Konstante in seinem Privatleben, wenn
man von den verzweifelten, immer öfter stattfindenden Reinigungsversuchen
seiner Behausung absah. Heute wurde diese Gepflogenheit um eine Variante, der
Einnahme zweier Aspirin-Tabletten, erweitert.
Langsam
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