Aurora Komplott (Thriller) (German Edition)
würden nur schlafende Hunde geweckt. Nullkommanix würden sich
andere Dienste in seinen Fall einschalten und die Regie übernehmen. Und wenn in
Brüssel tatsächlich der Mossad verantwortlich war, würden ihm die Brüsseler
Kollegen ohnehin keine zweckdienlichen Hinweise geben können.
Gedankenlos und mechanisch blätterte Hanson den
roten Aktenkorb weiter durch. Die zweite Gittermappe enthielt zwei nichtssagende
Kopien irgendeines Stadtplanes. Die Straßen waren ungewöhnlich groß abgebildet,
alle Einzelheiten wie Laternen, Hydranten, Bäume und so weiter waren
detailgetreu skizziert. Alles uninteressant und nichtssagend, sinnierte Hanson
geistsabwesend. Der Brüsseler Mord beschäftigte ihn noch zu sehr, als dass er
sich konzentriert die Unterlagen in seinen Händen anschauen konnte. Dass die
Straßennamen vor dem Kopieren deutlich erkennbar mit flüssigem Tippex geweißt
waren, so als wollte der Urheber dieser Kopien die Zuordnung der Straßen zu
einer Stadt verschleiern, fiel Hanson zwar auf, aber die logische und
kriminalistisch zwangsläufige Frage, warum und wozu eine Zuordnung verhindert
werden sollte, stellte sich Hanson nicht. Er war bereits mit dem Obduktionsprotokoll
des erschossenen Bachner beschäftigt, das er nun in den Händen hielt. Seine
Sekretärin hatte dieses Bulletin innerhalb des Aktenstapels zu unterst
placiert. Die Beschreibung der äußeren Leichenbeschau überflog Hanson und
widmete sich gleich dem Wesentlichen. Ein neun Millimeter Projektil hatte das
Brustbein durchschlagen und den dahinterliegenden Aortenbogen, die so genannte
Arcus aortae, zerissen. Massive innere Blutungen ließen Bachner keine Chance.
In Sekundenschnelle wurde die Blutzufuhr zum Gehirn unterbrochen, so dass
Bachner wenig, vielleicht aber auch gar nichts gespürt haben konnte, resümierte
Hanson zufrieden. Der arme Kerl dürfte kaum gelitten haben. Das Projektil war
dann im siebenten Rückenwirbel stecken geblieben. Der Brustbeindurchschuss lag
5 Zentimeter
höher als der siebente Rückenwirbel. Gut,
überlegte Hanson, bei der flachen Tatorttopografie offenbarte ein ansteigender
Einschusswinkel zwingend, dass Bachner in nach vorn gebückter Haltung getroffen
wurde. Klar, er suchte Deckung vor dem Schützen. Er war sich also der Gefahr
bewusst, in der er schwebte. Eine Witwenpension aus der nächst höheren
Besoldungsstufe war nun möglich, wie sie von Wolff wohlüberlegt aus
fürsorgerischen Gründen beabsichtigt und gewünscht worden war.
Kapitel 14
Kiel, Mittwoch, 22.03.1995, 18.15 Uhr
Die tödliche Heimsuchung, die über sie in
wenigen Minuten hereinbrechen würde, sahen beide nicht kommen. Sie waren
schlicht und einfach ahnungslos und zu naiv.
Der Portier des Berliner Amberas übergab Schukow
tags zuvor ein kleines Päckchen, das ein Genosse aus alter Zeit dort abgegeben
hatte. Die lichtundurchlässige Phiole aus dunkelbraunem Glas war gut und sicher
verpackt. Ihrem flüssigen Inhalt sah man sein absolut tödliches Potential nicht
an. Die Brühe ließ sich leicht in den mitgelieferten Pumpspray umfüllen.
In abgefeimter Bosheit hatte er dann in seinem
Hotelzimmer die Vor- und Rückseiten der ersten fünf Banknoten der diversen
Geldbündel mit dem Designergift aus dem Spray hauchdünn benetzt, sich diese
Geldscheinnummern notiert und die Bündel akribisch wieder mit den Banderolen
versehen. Zwei DIN-A-4-Kuverts waren nötig, um diese große Geldsumme
aufzunehmen. Dann war er mit dem geliehenen BMW in Richtung Kiel gebraust. Den
Stau auf der A 20, den der NDR meldete, konnte er noch rechtzeitig umfahren.
Die junge Frau, die das Sonnenstudio gerade
verlassen hatte, schlug ihren Mantelkragen hoch, rempelte ihn kurz an und
entschuldigte sich mechanisch, als er durch die Tür in den Hausflur schlüpfen
wollte. Sie hatte ihn kaum zur Kenntnis genommen, hatte quasi durch ihn
hindurch geschaut. Vielleicht wäre es besser gewesen, in den Stau auf der
Autobahn hineinzufahren, dann wäre diese Aktion zu einer etwas späteren
Tageszeit gestartet worden. Seine Anonymität, sein Aussehen wäre bei etwas
weniger Tageslicht besser geschützt gewesen. Seine Kleidung hatte er den Leuten
dieser Gegend angepasst und hoffte, so seinen Wiedererkennungswert zu
minimieren. Wie geplant, nur leichter als gedacht, gelangte er durch den
unverschlossenen Hauseingang in den Treppenflur. Mit Jeanshose, Jeanshemd und
halblanger Jeansjacke und den beiden Kuverts unter dem rechten Arm stand er nun
in der dritten Etage. Er legte
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