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Aurora

Aurora

Titel: Aurora Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alastair Reynolds
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der im Keller wohnte. Ich sollte keine Fragen stellen.«
    Dreyfus sprach in sein Armband. »Realisierung anhal-
    ten.«
    »Hilfe, Tom.«
    Der Rest des Bildes erstarrte, und sie verstummte end-
    gültig.
    Dreyfus rief Trajanowa an. Sie war nervös und ließ sich nicht gern bei ihrer Arbeit stören. Offenbar hatte sie sich in den Schacht einer ihrer Turbinen gezwängt und hing nun, den Rücken an die gewölbte Glasröhre um die Apparatur
    gedrückt, in einer Schwerelosigkeitsschlinge.
    »Es ist wichtig«, sagte Dreyfus. »Ich habe soeben eine
    meiner Beta-Kopien realisiert. Sie ist mir mitten in der Vernehmung abgestürzt.«
    Trajanowa wechselte ein Werkzeug über den Mund von
    einer Hand in die andere. »Haben Sie einen Neustart versucht?«
    »Versucht schon, aber da ging nichts mehr. Das System
    sagte, die Beta-Kopie sei unwiderruflich zerstört.«
    Trajanowa schob sich ächzend zur Seite, um eine beque-
    mere Stellung zu finden. »Das ist nicht möglich. Die Realisierung war bis zur Hälfte der Vernehmung stabil?«
    »Richtig.«
    »Dann kann das Basisimage nicht beschädigt sein.«
    »Das Subjekt bekam die Zerstörung sogar selbst mit. Sie fühlte sich nach eigener Aussage, als würde sie zerfressen.
    Es war, als könne sie spüren, wie ihr Persönlichkeitskern segmentweise gelöscht wurde.«

»Auch das ist nicht möglich.« Dann runzelte sie nach-
    denklich die Stirn. »Außer natürlich ...«
    »Woran denken Sie?«

    »Könnte jemand eine Datenmine in Ihre Beta-Kopie ein-
    geschleust haben?«
    »Theoretisch schon. Aber nachdem wir diese Kopien aus
    Ruskin-Sartorius geborgen hatten, wurden sie vor der ersten Realisierung allen standardmäßigen Tests und Filtern unterzogen. Außerdem waren sie schwer beschädigt. Thalia musste Überstunden machen, um die Teile wieder zu-
    sammenzuflicken. Wenn jemand eine Datenmine - oder
    eine Selbstzerstörungsfunktion - eingebaut hätte, hätte Thalia sie gefunden.«
    »Und sie hat nichts Ungewöhnliches berichtet?«
    »Sie meldete, sie hätte nur drei lauffähige Kopien wiederherstellen können. Das war alles.«
    »Und man kann ganz sicher sein, dass Thalia nichts übersehen hat?«
    »Ich würde meine Hand dafür ins Feuer legen.«
    »Dann gibt es nur eine Antwort: Jemand muss sich die
    Beta-Kopie vorgenommen haben, nachdem sie nach Panoplia gebracht wurde. Aus technischer Sicht wäre das gar nicht so schwierig gewesen. Man brauchte nur in den Archiven nach irgendeiner Datenmine zu suchen und sie in
    die Beta-Kopie einzubetten. Sie könnte so programmiert gewesen sein, dass sie die Kopie bei der Realisierung zerfraß, vielleicht wurde sie aber auch durch eine Phrase oder eine Geste ausgelöst.«
    »Mein Gott«, sagte Dreyfus. »Die anderen ... mit denen
    will ich auch noch sprechen.«
    »Das könnte gefährlich sein. Wenn der gleiche Code ein-
    gebettet wurde, würden Sie auch die beiden anderen Zeu-
    gen verlieren.«
    »Was heißt verlieren? Bekomme ich denn keine Siche-
    rungskopie?«
    »Es gibt keine Sicherungskopien. Als der Turbo hochging, haben wir alle Duplikate verloren.«
    »Dann war das alles gesteuert.«

    »Hören Sie«, sagte Trajanowa plötzlich in beschwören-
    dem Ton. »Ich habe hier noch ein paar Stunden zu tun. Ich muss diesen Turbo auf volle Leistung bringen, bevor ich mich um andere Dinge kümmern kann. Aber sobald ich fertig bin, sehe ich mir die wiederhergestellten Kopien an. Ich werde versuchen, von der abgestürzten noch etwas zu retten und die beiden anderen auf Datenminen überprüfen.
    Bis dahin hüten Sie sich bitte, sie zu realisieren.«
    »Versprochen«, sagte Dreyfus.
    »Wenn ich fertig bin, rufe ich Sie an.«
    Erst als das Gespräch mit Trajanowa beendet war, fand
    Dreyfus die Muße, sich mit seinem eigenen Gemütszustand zu befassen. Dabei machte er eine unerwartete und scho-ckierende Entdeckung. Noch vor wenigen Tagen hätte er
    den Verlust eines Zeugen der Beta-Stufe als gleichbedeutend mit der Zerstörung eines möglicherweise belastenden Beweisstücks betrachtet. Er wäre verärgert gewesen, vielleicht sogar empört, aber nur, weil seine Ermittlungen behindert worden wären. Er hätte kein emotionales Bedauern Uber den Verlust des Artefakts selbst verspürt, denn es hätte sich eben nur um ein Artefakt gehandelt.
    Doch jetzt war das anders. Jetzt sah er ständig Delphines Gesicht in jenen letzten Momenten vor sich, in denen sie noch genügend Empfindungsfähigkeit besessen hatte, um
    zu erkennen, dass sie dem Tode geweiht war.
    Aber wie

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