Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Aurora

Aurora

Titel: Aurora Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alastair Reynolds
Vom Netzwerk:
verkrampft. »Wenn ein solcher Plan be-
    stünde, können Sie sich vorstellen, inwiefern Ihre Familie ein Hindernis hätte darstellen können?«
    »Was für ein Hindernis?«
    »Alle mir vorliegenden Hinweise besagen, dass jemand,
    der in irgendeiner Beziehung zur Familie Nerwal-Lermon-
    tow steht, das Abfackeln Ihres Habitats veranlasst hat. Dravidian hatte nichts damit zu tun: Er wurde missbraucht, jemand, der wusste, wie man ein Synthetiker-Triebwerk
    zündet, hat sich auf sein Schiff und unter seine Besatzung geschmuggelt.«
    »Aber warum?«
    »Ich wünschte, ich wüsste es, Delphine. Aber ich habe
    eine Vermutung: Jemand oder etwas in Verbindung mit der Kuskin-Sartorius-Blase wurde als Gefahr für den betreffenden Plan angesehen.«
    »Ich kann mir nichts und niemanden vorstellen«, sagte
    sie trotzig. »Wir kümmerten uns nur um unsere eigenen
    Angelegenheiten. Anthony Theobald wollte mich an ein reiches Industriekartell verheiraten. Er bekam immer wieder Besuch von Freunden, aber die kannte ich nicht. Vernon
    wollte einfach nur mit mir zusammen sein, auch wenn er
    sich deshalb die Verachtung seiner Familie zuzog. Ich hatte meine Kunst...«
    Schon bei der zweiten Realisierung hatte sie von Anthony Theobalds Besuchern gesprochen, doch als er sie drängte, ihr Genaueres zu erzählen, hatte sie sich zurückgezogen.
    Ein Familiengeheimnis, über das sie Stillschweigen gelobt hatte? Vielleicht. Seither war er sehr behutsam gewesen, um sich ihr Vertrauen zu erwerben, aber er wusste, dass er die Frage nicht ewig aufschieben konnte.
    Er wollte versuchen, aus einer anderen Ecke zu kommen.
    »Lassen Sie uns über Kunst sprechen. Vielleicht finden
    wir hier einen Anhaltspunkt, den wir bisher übersehen
    haben.«
    »Aber das haben wir doch längst geklärt: Die Kunst war
    nur eine Ausrede, ein Vorwand, um den wahren Grund für
    unsere Ermordung zu verschleiern.«
    »Ich wünschte, ich könnte auch daran glauben, aber es
    gibt da eine Querverbindung, über die ich immer wie-
    der stolpere. Die Familie, die Ihnen das angetan hat, hatte wegen des Schicksals ihrer Tochter enge Beziehungen zum Haus Sylveste. Ihr künstlerischer Durchbruch - die Werke, mit denen Sie Aufmerksamkeit erregten - war inspiriert
    von Philip Lascailles Reise zum Schleier. Und Lascaille war
    >Gast< von Haus Sylveste, als er in jenem Fischteich er-trank.«
    »Gibt es in diesem System irgendeine Seite des Lebens, in die diese verdammte Sippe nicht ihre Krallen geschlagen hat?«
    »Wohl kaum. Trotzdem bin ich überzeugt, dass hier ein
    Zusammenhang besteht.«
    Sie brauchte für die Antwort so lange, dass er schon
    dachte, sie wollte die Frage überhören, mit Verachtung strafen. Wie könnte ein einfacher Polizist irgendeinen Einblick in den künstlerischen Schaffensprozess gewinnen ...
    »Ich habe Ihnen erzählt, wie es war. Wie ich eines Tages mitten in der Arbeit zurücktrat und das Gefühl hatte, jemand hätte mir die Hand geführt und das Gesicht so ge-
    formt, dass es wie Lascaille aussah.«
    »Und?«

    »Nun, es steckte ein wenig mehr dahinter. Als ich die Beziehung herstellte, da war es, als wäre mir ein Blitz ins Gehirn gefahren. Nicht ich hatte mir Lascaille ausgesucht, weil Ich in dem Thema gewisse Möglichkeiten gesehen hätte.
    Mir blieb vielmehr gar keine Wahl. Das Thema forderte, von mir behandelt zu werden, es zog mich an wie ein Magnetfeld. Von dem Moment an kam ich von Philip Lascaille nicht mehr los. Ich musste seinem Tod Gerechtigkeit widerfahren lassen oder im Schaffen sterben.«
    »Etwa so, als würde Philip Lascaille durch Sie sprechen, als würde er Sie als Medium benützen, um der Welt sein
    Leiden kundzutun?«
    Sie sah ihn verächtlich an. »Ich glaube nicht an ein Leben nach dem Tod, Präfekt.«
    »Aber bildlich gesprochen kam es Ihnen doch genauso
    vor, nicht wahr?«
    »Ich spürte einen Drang«, sagte sie, als wäre ihr noch
    nichts so schwergefallen wie dieses Eingeständnis. »Den starken Wunsch, dieses Werk zu Ende zu führen.«
    »Als ob Sie für Philip sprächen?«
    »Bis dahin hatte sich niemand mit ihm beschäftigt«, sagte sie. »Jedenfalls nicht eingehend. Wenn Sie das als >Sprechen für einen Toten< bezeichnen, meinetwegen.«
    »Ich werde es so bezeichnen, wie Sie es für richtig halten.
    Sie waren die Künstlerin.«
    »Ich bin die Künstlerin. Was immer Sie von mir denken, ich spüre immer noch den gleichen schöpferischen Drang.«
    »Wenn ich Ihnen die Möglichkeit dazu gäbe, wenn ich
    Ihnen ein großes Felsstück

Weitere Kostenlose Bücher