Aurum & Argentum (German Edition)
sich auf die Unterlippe und ärgerte sich darüber, wieder einmal zielsicher ins nächste Fettnäpfchen getreten zu sein.
„ Du machst das wirklich ganz toll“, lobte der Elf seinen Bruder überschwänglich und der nahm die Entschuldigung auch sofort an.
„ Uff“, dachte Flux erleichtert, „gut, dass er überhaupt nicht nachtragend ist.“
Schweigend ging es nun durch den langsam lichter werdenden Hain dahin. Viele nachtaktive Waldbewohner hatten sich schlafen gelegt und es raschelte nur noch ab und an im Unterholz. Von schaurigem Geheul war auch nichts zu hören, nur einmal saß ein eigenartiges Wesen auf dem Ast eines toten Baumes. Die Kreatur besaß den Körper eines Vogels und auch die Beine eines solchen. Am vorderen und hinteren Körperende befanden sich jedoch jeweils Hals und Kopf einer Schlange. Der hintere Kopf züngelte und überwachte die Gegend, während der vordere damit beschäftigt war, eine fette Ratte zu verschlingen.
„ Oh toll!“, Flux war völlig begeistert. „Eine Amphisbaena! Davon hat uns die Lehrerin schon erzählt!“
Leon war nicht so entzückt von dem Schlangenvogel.
„ Wenn der vordere und der hintere Kopf sich festhalten, nimmt das Tier die Form eines Rades an, so kann es ganz schnell einen Berg hinabrollen. Fliegen können sie ja leider nicht.“ Flux klang bedauernd, den Kentauren freute diese Neuigkeit hingegen.
„ Wir sollten sie lieber nicht beim Frühstück stören“, fand er und ging in flotten Galopp über, „das würde ich an ihrer Stelle auch nicht gutheißen.“
Flux sparte sich lieber gleich seine Widerworte, er sah aber ein wenig bedauernd zurück. Gerne hätte er dieses Wesen noch längere Zeit beobachtet. Der hintere Kopf zischelte ihm leise nach und öffnete das Maul mit den Giftzähnen: „Sie laufen in seine Richtung. Ob er wohl wieder auf der Jagd ist?“
Der vordere Kopf hatte in der Zwischenzeit sein Mahl beendet. „Er ist doch immer auf der Jagd“, erwiderte er knapp, „der dicke Kentaur käme ihm sicher sehr gelegen.“
„ Vielleicht hätten wir sie warnen sollen“, überlegte der andere Kopf. „Ach, was soll man da schon machen? Lass den Dingen seinen Lauf. Ein Mantichora ist und bleibt ein Mantichora und die beiden da sind ein gefundenes Fressen für ihn. So laufen wir nicht Gefahr, als seine nächste Mahlzeit zu enden.“
Die Zeit verstrich und da keine weiteren aufregenden Geschöpfe ihren Weg kreuzten, begann sich Flux zusehends zu langweilen. „Langsam könnte dieser Wald aber auch enden“, war seine Meinung, „was liegt wohl dahinter? Eine Wüste? Ein Gletscher oder vielleicht ein alles verschlingender Sumpf mit einem Moorgespenst?“
Leon schnaubte: „Nein, sieht eher aus wie eine friedliche Wiese.“ In der Tat, als Flux den Kopf hob, konnte auch er sie sehen und nur wenige Schritte weiter trat Leon auch schon aus dem Forst heraus. Die Sonne stand inzwischen im Zenit. „Hier könnten wir doch prima rasten.“ Es gab sogar einen kleinen See und einige Gestrüppe mit Himbeeren oder Brombeeren. Vereinzelt wuchsen auch kleinere Bäume oder Büsche. „Sehr groß ist die Auswahl allerdings nicht“, schon hatte sich der Kentaur ins Gras niedergelassen und den Proviantbeutel hervorgeholt. Flux nahm sich eine Birne und kaute ein wenig lustlos darauf herum. Er musste sich irgendetwas einfallen lassen, um seinen großen Bruder bei Laune zu halten. Sehnsüchtig sah dieser schon wieder zurück, wo irgendwo hinter den Bäumen Elfenheim lag.
„ Ich werde mich ein wenig umsehen“, Flux stand wieder auf und eilte los. Leon wunderte sich im Stillen darüber, warum sein Bruder dazu Pfeil und Bogen brauchte, doch der Kleine war schon hinter einem Gebüsch verschwunden.
„ Ich werde uns eine dicke Taube schießen“, nahm Flux sich vor, „vielleicht auch ein Kaninchen.“ Er musste unweigerlich an den guten Festtagsbraten denken, den seine Mutter immer zubereitete. Viele Elfen waren zwar Vegetarier, aber Flux’ Familie gehörte nicht dazu. Sein Vater ging immer auf die Jagd in den Wald und sein Sohn hatte ihn schon mehrfach auf die Pirsch begleitet. Jedoch hatte der Junge nie zuvor auf ein lebendes Tier geschossen, denn sein Vater vertrat klare Prinzipien. „Zusehen darfst du“, war seine Devise, „aber du darfst erst selbst auf die Jagd gehen, wenn du dir auch wirklich sicher sein kannst, dass du deine Beute mit dem ersten Schuss erlegst. Das Tier soll nicht leiden, schließlich sind wir keine Bestien so wie manche
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