Aurum & Argentum (German Edition)
verlor. Das menschenähnliche Gesicht der Bestie war vor Wut ganz verzerrt. Geifer tropfte aus den Mundwinkeln herab. Seine braune Mähne sträubte sich und es hatte jeden Muskel in seinem gelben Löwenkörper angespannt. „Ein Mantichora!“, Flux machte auf dem Absatz kehrt und hechtete davon. Das wütende Monster brüllte ihm hinterher, doch zunächst nahm es nicht die Verfolgung auf, sondern zog sich einen Pfeil mit weißer Befiederung aus dem Rücken. Danach schüttelte es die örtliche Betäubung ab und heftete sich an die Fährte des Übeltäters.
„ Hilfe!“
Leon stellte die Lauscher auf Empfang, hatte er da nicht gerade sein geliebtes Brüderchen schreien hören? Keine Sekunde später konnte er den kleinen Elf sehen, der in heller Aufregung auf ihn zueilte.
„ Was ist denn nun schon wieder?“, wunderte sich Leon noch, da verschanzte sich der Kleine auch schon hinter ihm.
„ Wenn es fragt, dann bin ich nicht da!“, keuchte Flux. Der Kentaur wollte sich gerade danach erkundigen, wen Flux meinte, da erblickte er den Mantichora auch schon. Fauchend und geifernd kam die mächtige Raubkatze genau auf ihn zu. Die funkelnden Augen des Monstrums waren auf Leon konzentriert, als könne es direkt durch ihn hindurch sehen. Flux duckte sich tief ins Gras, er konnte das laute Grollen des Raubtieres hören, das nun haarscharf vor Leon stoppte. Der Mantichora riss das Maul auf, zeigte dabei seine drei Reihen von spitzen Haifischzähnen und gab seinen Unmut lautstark kund. Leon schwirrte der Kopf vor Angst, dem lauten Gebrüll und dem üblen Mundgeruch, doch er konnte nicht länger schweigend daliegen. Sehr vorsichtig erhob er sich, obwohl seine Beine wie Espenlaub zitterten. Die glühenden Augen der Bestie beobachteten ihn dabei wachsam. Bis zum Anschlag hatte das Biest seine rasiermesserscharfen Klauen ausgefahren. Es schien kurz davor, loszuspringen, um seine Beute zu reißen.
„ Jetzt wird er mich fressen!“, jammerte Flux. „Und dabei war es doch gar nicht mit Absicht!“
Leon schluckte schnell den Klos herunter, der ihm im Halse saß und räusperte sich. Der Mantichora grollte drohend, er entfaltete seine Fledermausschwingen und klappte sie anschließend wieder zusammen.
„ Was auch immer der Kleine angestellt hat“, begann Leon mit dünner Stimme zu sprechen, „er hat es nicht böse gemeint.“
Der Mantichora zog die Nase kraus und Leon konnte ihm ansehen, dass er kein Wort davon glaubte. Erneut stieß das Raubtier sein ohrenbetäubendes Gebrüll aus, dann ging es auch schon zum Angriff über. Es bäumte sich auf und schlug mit seinen mächtigen Pranken um sich. Leon erschrak zutiefst, vor allen Dingen aber darüber, dass er reflexartig die Tatzengelenke des Biestes ergriffen hatte. Das gefiel dem Untier natürlich überhaupt nicht, es zischte verärgert und versuchte sich loszureißen, wodurch ein wildes Ringen entstand. Flux’ Augen weiteten sich immer mehr als er das sah, schützend hielt er sich die Hände über den Kopf.
„ Leon setzt sein Leben auf Spiel“, machte er sich Vorwürfe. „Und das ist alles meine Schuld!“
„ Groarrr!“, der Mantichora riss sich mit einem Ruck los. Er sprang ein Stück zurück und machte einen Katzenbuckel, dabei spreizte er die Fledermausflügel und hob drohend seinen Skorpionschwanz. Was nun geschah, passierte so plötzlich, dass Leon gar nicht darüber nachdenken konnte, er fuhr herum und scheute kräftig aus. Dabei traf er die mordlüsterne Bestie an der Brust und sie schrie vor Schmerz.
„ Oh nein!“, erschrak Flux zutiefst und seinem großen Bruder wurde auch bewusst, dass dies gar nicht geschickt gewesen war. Die gelben Augen der Raubkatze glühten, noch einmal stieß sie ihr Gebrüll aus, dann drehte sie sich ruckartig zur Seite und ihr Schweif peitschte durch die Luft. Als Leon des Stachelbüschels gewahr wurde, war es auch schon zu spät, einige der Nadeln hatten sich vom Skorpionschwanz gelöst, wie Pfeile kamen sie auf ihn zugeschossen und drei von ihnen bohrten sich in den Oberschenkel seines rechten Hinterbeins. Leon war vor Schreck wie erstarrt. Erst nach und nach spürte er einen brennenden Schmerz, der aber sehr schnell von einem dumpfen Taubheitsgefühl abgelöst wurde. Der Mantichora visierte ihn an, sein Rachedurst war noch lange nicht gestillt.
„ Wir müssen weg! So schnell wie möglich“, das war das Einzige, woran Leon noch denken konnte, er wollte zurückweichen, doch sein Hinterbein gehorchte nicht, es war gelähmt und
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