Aurum & Argentum (German Edition)
den Augen, er wusste, dass jetzt auch kein Weinen half. Ihre Gesundheit war vorrangig und hier draußen konnten sie schneller in die nächste Gefahr geraten, als ihnen lieb war. Flux hätte gerne die Zeit zurückgedreht, doch das war nicht möglich, er musste sich auf das Hier und Jetzt beschränken. Tonlos nahm er seine Gürteltasche zur Hand, kramte darin und tatsächlich fand er auch ein Kraut, das Lähmungen kurierte. Vorsichtig nahm er drei der zitronengelben Blätter heraus und legte sie auf die Einstichwunden. Leon wusste, wie enttäuscht sein Bruder sein würde, wenn sie jetzt umkehrten.
„ Ach, wäre ich doch nur mutiger“, schimpfte der Kentaur mit sich selbst, „wenn ich so heldenhaft wäre wie ein Dämonenjäger, dann könnte ich unsere Sicherheit garantieren.“
Der Mantichora gab eine Art dumpfes Schnurren von sich und Leon ließ betrübt die Ohren hängen. „Wenn der Alte nicht so schnell zu sich gekommen wäre, hätte er mich mit einem einzigen Tatzenhieb niedergestreckt. Dann wäre Flux ihm schutzlos ausgeliefert gewesen ...“
Neugierig sah der Mantichora die Wanderburschen an. „Seid ihr auf dem Weg zu jemandem, den ihr besuchen wollt? Oder erforscht ihr vielleicht diese Gegend?“
Leon schüttelte mit dem Kopf: „Wir sind auf einer Reise.“
Flux blickte auf und verbesserte: „Also eigentlich ist es eine richtige Mission! Mit einem Auftrag! Vielleicht gibt es sogar irgendwo einen Schatz, den wir ausgraben sollen und den ein böswilliger Dieb vor uns erlangen will!“
Der alte Mantichora lachte, als er den kleinen Elf so enthusiastisch reden hörte. „Das muss ja von enormer Wichtigkeit sein.“
Flux nickte sehr überzeugt mit dem Kopf.
„ Wir folgen einem magischen Kompass, er soll uns zu unseren Verbündeten führen!“
„ Oho“, staunte der Mantichora und war wirklich sehr angetan. Dem Kentaur fielen derweil die Augen zu.
„ Ja, ruh dich nur aus“, brummte der Raubkater, „das Gift meiner Stacheln wird noch eine Zeit lang wirken und es ist nicht nur auf dein Bein beschränkt.“
Leon spürte die bleierne Müdigkeit, die in seine Knochen kroch, schon eine ganze Weile lang, nun hatte sie auch seinen Kopf erreicht. Er musste sich auf die Seite legen, um nicht umzukippen.
„ Keine Bange“, brummte der Mantichora, als er Flux’ erschüttertes Gesicht sah, „wenn er wieder aufwacht, dann hat sich das Gift verflüchtigt und in der Zwischenzeit kannst du mir von der großen Reise erzählen. Ich bin nämlich sehr neugierig, aber ich verlasse mein Revier nur selten. Meist halte ich mich in der Nähe des kleinen Sees auf. Du hattest Glück, als mich dein Pfeil traf, machte ich gerade einen Verdauungsschlaf. Ein hungriger Mantichora ist noch zehnmal gefährlicher als ein satter.“
Flux lief eine Gänsehaut über den Rücken, er wollte sich erst gar nicht ausmalen, was passiert wäre, wenn er einen ausgehungerten Mantichora getroffen hätte.
Erwartungsvoll sah der Löwenmann ihn an und Flux wollte nicht riskieren, noch einmal die Bestie in ihm zu wecken. Also fütterte er ihn mit einer tollen Seemannsgarn-Geschichte, dass nicht alles darin der Wahrheit entsprach, musste er dem Mantichora ja nicht auf die Nase binden.
„ So, so“, brummte die Großkatze später, „das war ja wirklich aufregend. Er ist also dein Bruder, dieser Kentaur, und in der letzten Nacht hat er es gleich mit drei ausgewachsenen Kerberos aufgenommen. Wirklich beachtlich. Morgana ist euch tatsächlich in Gestalt eines riesigen Drachen erschienen und du hast dich überhaupt nicht gefürchtet? Du warst ein wirklich tapferer Junge, vor allem, als du heute Morgen gleich einen ganzen Schwarm von Harpyien vom Himmel geholt hast. Ich muss gestehen, vor diesen Vogelungeheuern fürchte ich mich sogar ein wenig.“
Flux grinste stolz vor sich hin, wenn er auch schon im Bogenschießen kein Meister war, so war er es doch auf alle Fälle im Märchen erzählen.
Der Mantichora schmunzelte vergnügt: „Unter uns, ein wenig musst du wohl noch an deiner Waffentechnik arbeiten.“
„ Sonst treffe ich immer das Ziel“, behauptete Flux, „die Mi’raj haben mich abgelenkt!“
„ Aber natürlich“, erwiderte der Kater, „sie lenken auch mich immer ab. Wenn ich auf der Jagd bin, dann hoppeln sie frech vor meiner Nase herum, sie wissen, dass ich sie nicht fresse. Ich fresse keine Einhörner, auch wenn sie noch so ungezogen sind. Es gibt ja leider auch ansonsten kaum noch etwas, das man fressen kann, ohne
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