Aurum & Argentum (German Edition)
das in einiger Entfernung zu hören war. Der Mantichora kämpfte wohl gerade mit seiner Beute.
Leon fröstelte es. Um seine Nerven zu beruhigen, labte er sich an den süßen Himbeeren. Er hielt tapfer bis spät in die Nacht hinein die Augen offen, doch es kam der Zeitpunkt, wo auch ihn der Schlaf übermannte.
„ Na, es geht doch“, freute sich Flux am nächsten Morgen, als er Leon friedlich schlafen sah. Dann hörte er wieder das Geräusch, das ihn geweckt hatte. Er rieb sich den Schlaf aus den Augen und entdeckte den uneingeladenen Gast. Dieser zerrte am geschlossenen Vorratsbeutel herum, knurrte und ließ sich wohl auch nicht vom Mantichora beeindrucken, der ganz in der Nähe vollgefressen auf dem Rücken lag und schnarchte.
„ He!“, rief Flux, als der Fremde nun mitsamt dem Proviantssack verschwinden wollte. Eilig nahm der Elf das gute Stück an sich und sah das Tier vorwurfvoll an, dieses starrte mit großen blauen Augen zurück wie ein bettelnder Hund. Es hatte den Kopf eines Rotfuchses, die Vorderbeine eines Adlers, einen Thorax wie ein Windhund und das graue Hinterteil eines Wolfes. Man nannte diese Spezies Enfield und der kleine Hühnerdieb schob offensichtlich Kohldampf. Sein Magen knurrte wie ein dreiköpfiger Zerberus. Der Kleine fletschte die Zähne und fing an zu kläffen, doch Flux hatte keine Angst vor ihm.
„ Bitte!“, versuchte es da das listige Tier auf eine andere Weise. „Ich habe eine ganze Familie, die am Verhungern ist!“
Flux hob die Augenbrauen. „Auch Unsinn“, ließ er sich nicht foppen, „du bist noch nicht mal ausgewachsen! Deine Mutter hat dich vor die Tür gesetzt und nun musst du selbst zurecht kommen, nicht wahr?“ Offenbar hatte er den Nagel auf den Kopf getroffen, denn der Enfield grinste nur verlegen. Flux sah zu Leon und dem Mantichora, beide schliefen noch tief und fest. „Na schön“, meinte er, „spielen wir was zusammen.“ Er hob einen Ast auf und warf ihn davon. Der junge Enfield hatte offenbar den gleichen Spieltrieb in sich wie ein Haushund, sofort wetzte er los und brachte das Stöckchen zurück. „Brav“, lobte Flux und steckte ihm ein Stück Käse zu, dann warf er den Ast erneut. Das ging so lange hin und her, bis Flux keine Lust mehr hatte. Nun musste der Enfield für sein Frühstück Kunststückchen machen, erst sollte er sich über den Boden rollen, dann Männchen machen und sich zum Schluss tot stellen.
„ Na, amüsiert ihr euch?“, plötzlich stand der Mantichora neben ihnen. Er hob die rechte Vordertatze und strich mit ihr dem Enfield, der am Boden lag, über den Bauch. Der Racker war offenbar kitzlig und wand sich lachend und keuchend im Gras. „Ach ja“, seufzte der Kater, „wie gerne hätte ich früher Kinder gehabt. Doch irgendwie bin ich nie der richtigen Frau begegnet und nun bin ich zu alt.“
Flux sagte kein Wort dazu, denn davon hatte er keine Ahnung.
„ Bis später. Ich werde schon einmal nach eurem Mittagessen Ausschau halten.“ Der Raubkater drehte sich um und jagte davon.
„ Hoffentlich bringt er uns keine Schlange!“, krähte Flux und der Enfield schüttelte sich zur Bestätigung, diese Reptilien mochte er wohl auch nicht gerne zum Mittagessen.
Die beiden neuen Freunde vertrieben sich noch gemeinsam die Zeit, bis Leon endlich erwachte.
„ Das ist Reinecke“, stellte Flux den neuen Spielgefährten umgehend vor, „und unser Aufpasser hat sich davon gemacht.“ Weit und breit war nichts von dem Mantichora zu sehen und das blieb auch so, bis die Sonne beinahe im Zenit stand. „Wir können doch nicht den ganzen Tag lang warten“, fing Flux an zu mosern, „ich kriege schon wieder Appetit.“ Seinem Kumpel Reinecke ging es genauso, er machte erneut ein Gesicht, als sei er kurz vor dem Verhungern.
„ Also schön“, sagte Leon und lud sich das Gepäck auf den Rücken, „schauen wir mal bei den Bäumen dort hinten vorbei.“ Das war doch immerhin ein Anfang und allzu weit mussten sie auch nicht wandern.
„ Obst“, stellte Reinecke trocken fest, als sie bei den besagten Nutzhölzern angekommen waren, er hatte wohl mit einem Baum gerechnet, an dem gebratene Hühnerkeulen wuchsen.
„ Kirschen, Mirabellen und Walnüsse“, war Flux wesentlich präziser. Sein Bruder verlor auch keine Zeit mehr, ließ sich den Vorratsbeutel reichen und begann mit der Ernte. Was herunter fiel, das verschwand augenblicklich im Rachen von Reinecke. Flux hatte keine große Lust, Obst zu pflücken. Er saß ein wenig gelangweilt
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