Aurum und Argentum (2) - Die magischen Avatare (German Edition)
meiner lieben Mutter erzählt. Leider ist sie nicht so alt geworden, wie sie es verdient hätte. Schon vor vielen Jahren ist sie verstorben, ich war noch dabei, flügge zu werden als eines Tages wieder Wilderer auftauchten. Meine Mutter versteckte mich in einem Strauch und stellte sich den üblen Gesellen, doch es waren zu viele. Sie starb vor meinen Augen und die Schufte nahmen sie mit sich, um sie auf dem Schwarzmarkt der dunklen Magier zu verkaufen. Inzwischen weiß ich, dass Greife dort sehr begehrt sind, aus ihren Knochen kocht man Tränke und unsere Krallen sollen angeblich dazu dienen, Gift zu identifizieren, indem sie leuchten, wenn sie damit in Berührung kommen. Doch das tun nur Klauen, die speziell von Schwarzmagiern behandelt wurden.“ Seufzend erinnerte er sich an die schwere Zeit und nickte Leon zu, nun verstand dieser, warum auch der Greif das Feuermann-Gespenst hatte sehen können.
Flux ärgerte sich derweil, so neugierig zu sein, doch nun wollte der Greif ihnen auch noch den Rest seiner Lebensgeschichte erzählen. „Während ich noch schockiert von dem Vorfall war und es nicht verstehen konnte, dass meine Mutter nicht zurückkehrte, flog ein anderer Greif heran und landete bei mir, er war ein Albino und sein Gefieder wie auch sein Fell schneeweiß. Er brauchte nicht lange um zu verstehen, was geschehen war und so nahm er mich bei sich auf, bis ich alt genug und flügge war. Jedoch lehrte er mich nicht nur das Fliegen oder das Jagen, sondern er war mir auch ansonsten ein weiser Lehrmeister. Irgendwann kam die Zeit, wo sich unsere Wege trennten, ich fand die Bibliothek und habe ihn seither nicht wiedergesehen, jedoch werde ich seine rubinroten Augen wohl nie vergessen, die mich stets voller Güte betrachteten.“
„Und dein Vater?“, fragte Kleopatra, doch Orion seufzte nur, er hatte ihn nie kennengelernt und wusste auch ansonsten herzlich wenig, da seine Mutter ihn nie erwähnt hatte.
Langsam kam Akiko wieder zu sich, „Ich will euer nettes Geplauder wirklich nicht stören, aber wir bekommen Besuch!“ Sie streckte den Finger gen Himmel und der Gast antwortete mit lautem Kreischen.
„Das muss ein Mitglied des eingewanderten Schwarms sein!“, erriet Orion und zog den Kopf ein, da der Harpyienmann im Tiefflug über ihn hinwegfegte. „Sicher kontrolliert er das neue Territorium auf Eindringlinge und dein Findelkind gefällt ihm gar nicht.“ Das bekam Leon bereits deutlich zu spüren, kreischend stieß der Angreifer mit seinen Geierfüßen nach ihm, während die Kleine sich unter seinen Pferdebauch duckte. Abwehrend wedelte Leon mit den Armen, als Dank trafen ihn die scharfen Klauen des Vogelmannes. Um auf einen Kampf zu verzichten, ließ Orion erneut sein Brüllen ertönen, doch der Besucher war nicht so einsichtig wie die Amemaits. Nun hielt sich Leon schützend die Arme über den Kopf, der wilde Geier hatte soeben einige seiner Haare gepackt und ausgerupft, das Küken wimmerte ängstlich und drückte sich platt auf den Boden.
„Endlich wieder Arbeit“, die Amazone ließ ihre Fingerknöchel knacken, doch bevor sie zum Zug kam, bohrte sich bereits ein Pfeil mit roten Federn in den linken Flügel des Harpyenmännchens und dieser entfaltete sofort seine lähmende Wirkung. Kreischend stürzte der Vogel zu Boden, richtete sich aber bald wieder fauchend auf, Leon versuchte ihn mit dem Vorderhuf wegzutreten, nahm dabei aber auf seinen Schützling Rücksicht und traf daher nicht. Grollend duckte sich der Feind, zeigte die Zähne und wollte nach der Kleinen schnappen, als ihn ein weiterer Pfeil traf, diesmal ein weißer mit Schlafmittel. Sehr bald verdrehte der Geiermann die Augen und fiel wie tot in den Sand.
„Nicht schlecht“, überspielte Akiko ihren Ärger, dass sie nicht zum Zug gekommen war, „allerdings hätte ich selbst wohl nur einen Pfeil benötigt.“ Flux verdrehte die Augen und alle ließen Akiko in dem Glauben, dass die Welt von einem weiteren Ungeheuer befreit war.
„So denn, gehen wir“, befand Orion, schließlich mussten sie fort sein, bevor die Notlüge aufflog und der Aasfresser wieder erwachte. Anstatt misstrauisch zu werden, befand Akiko dies als die beste Idee des ganzen Morgens. So rafften sie alles zusammen und entfernten sich im Dauerlauf. Kleopatra nahm wieder ihre Spionposition auf der Schulter der Neuen ein, während Flux mit Orion reiste, der Rücken seines Bruders war nun ein Kinderspielplatz, wo die Harpyie übermütig auf dem Gepäck herumturnte, bis sie
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