Aus Dem Dunkel
Sorgen um ihn machte, aber zugleich geschah es zu ihrer eigenen Sicherheit, wenn er sie informierte. Sie musste schließlich an Mallory denken.
Er drückte sich so gegen die Tür, dass er sowohl nach vorn als auch nach hinten aus dem Wagen hinaussehen konnte. »In Pjöngjang wollte jemand mich loswerden«, erklärte er so gelassen wie möglich, weil er Mallory, die ihn anstarrte, nicht noch mehr erschrecken wollte. »Vor Kurzem hat man es erneut versucht, und ich glaube nicht, dass sie schon aufgegeben haben.«
Mallory rutschte auf dem Rücksitz nach unten, sodass ihr Kopf sich unterhalb des Fensters befand.
»Bleib so«, sagte Gabe.
»Okay.«
»Hör auf, ihr Angst zu machen«, sagte Helen mit noch harscherem Tonfall.
Er sah sie überrascht an.
»Das heißt also, jemand hat versucht, dich umzubringen, und wer es auch ist, wird es wieder versuchen«, fasste sie zusammen.
Ganz so melodramatisch hätte sie es nicht ausdrücken müssen. »Es hat mit den Waffen zu tun, die verschwunden sind, bevor das Team sie übernehmen konnte«, erklärte er. »Vielleicht bin ich den Verantwortlichen auf die Spur gekommen. Und jetzt befürchten sie, ich könnte mich wieder daran erinnern.«
Helen sah abwechselnd zu ihm und dann wieder auf die Straße. Wie sie die Augenbrauen hochzog, verriet ihm, dass sie ihm nicht glaubte.
Na toll, jetzt hielt ihn also auch noch seine Frau für paranoid. »Du kannst deinen Dad fragen«, erklärte er gereizt. »Die Theorie stammt von ihm.«
Sie schüttelte den Kopf, als wollte sie den Gedanken loswerden. »Okay«, sagte sie in einem Tonfall, der bedeutete: Jetzt hast du den Verstand verloren. Eine Sekunde darauf fügte sie hinzu: »Es sind noch vier Kilometer bis zum nächsten Rastplatz.«
Er hatte das Hinweisschild bereits gesehen. »Fahr raus. Dann sehen wir ja, ob der Kerl uns folgt.«
Die nächsten Kilometer zogen sich ewig hin. Die einzigen Geräusche im Wagen waren das Trommeln des Regens und das Schmatzen der Scheibenwischer, die nicht gegen die Wassermassen ankamen. Helen verkniff sich weitere Fragen, aber sie sah immer wieder in den Rückspiegel.
»Er folgt uns«, sagte sie, als sie in die Zufahrt zum Rastplatz einbog.
»Fahr weiter und park den Wagen«, forderte Gabe sie ruhig auf. »Dort wo alle anderen stehen.«
Sie folgte seiner Anweisung und lenkte das Auto zwischen einen leeren Kleinwagen und einen Pick-up mit einem Hund auf der Ladefläche. Ohne den Motor abzustellen, beobachteten sie, wie der dunkle Chrysler langsam an ihnen vorbeifuhr und ein Stück weiter entfernt in eine Parklücke rollte.
»Bleibt im Wagen«, ordnete Gabe an und öffnete die Beifahrertür. Sollte man ihn in der Öffentlichkeit angreifen, würde er dafür sorgen, dass nicht auch noch seine Familie in Gefahr geriet. Er schlüpfte aus dem Auto in den warmen Regen hinaus und schob die Glock unter sein Hemd, das er rasch aus dem Hosenbund gezerrt hatte.
Mit langen, zielstrebigen Schritten überquerte er eine menschenleere Rasenfläche, wobei er den Chrysler im Auge behielt. Er trat hinter einen Baum und wartete, beobachtete das Fahrzeug und hielt nach irgendeinem Anzeichen von Bewegung in dem Wagen Ausschau.
Er hatte keine Angst. Er war auf einen Angriff eingestellt, bereit, seinen Widersacher auszuschalten und ein paar Antworten auf seine Fragen zu erzwingen, um ein für alle Mal herauszufinden, wer sein Gegner war. Sogar die Kopfschmerzen hatten sich gelegt.
Endlich wurde die Tür des Chrysler geöffnet. Zuerst war ein Bein zu sehen, es steckte in einer marineblauen Hose, dann ein silbergrauer Kopf, eine gebrechliche Hand. Gabes Überraschung hätte nicht größer sein können: Ein älterer Herr stieg aus dem Wagen und versuchte dann, einen Regenschirm aufzuspannen.
Alles Adrenalin in Gabes Körper schien plötzlich abgebaut zu sein. Zurück blieb ein leichtes Gefühl von Übelkeit. Er blickte zu seinem Wagen und sah selbst durch die verschwommene Windschutzscheibe Helens erleichterte Miene. Sie schüttelte den Kopf und verdrehte die Augen.
Verdrossen ging Gabe in die Knie und steckte in einer blitzschnellen Bewegung seine Waffe wieder weg. Dann ging er zur Toilette, verwundert über sich selbst und wütend, weil er Helen und Mallory unnötigerweise beunruhigt hatte.
Als er kurz darauf vor dem Waschbecken stand, warf er einen letzten Blick auf die Dexamphetamin-Pillen, bevor er die Dose umdrehte. Eine nach der anderen fielen die Tabletten in den Abfluss. Allein sie verschwinden zu sehen, hob
Weitere Kostenlose Bücher