Aus Dem Dunkel
seine Stimmung.
Ihm fehlte nichts – nichts jedenfalls, was die Zeit nicht heilen würde. Auf keinen Fall brauchte er diese Tabletten, die ihn nur müde und wirr im Kopf machten.
Er hob den Blick und musterte sein Spiegelbild. Der Soldat, der ihm da mit ernsten Augen entgegensah, schien ihm etwas sagen zu wollen.
Der Fahrer des Chrysler war kein Killer gewesen. Das stimmte. Aber er hätte einer sein können. Tief in seinem Innern wusste Gabe, dass es nur eine Frage der Zeit war, bis man ihn wieder ins Visier nehmen würde.
Was war, wenn der Gegner ihm doch gefolgt war ? Was war, wenn er beschlossen hatte, sich Gabes Familie vorzunehmen, weil das einfacher war? Auf einem einsamen Highway brauchte man ihren Wagen nur von der Seite zu rammen, um ihn in die Bäume zu katapultieren. Helen verfügte nicht über die Erfahrung und Ausbildung, die es brauchte, um ein Auto in so einem Fall auf der Straße zu halten. Und Gabe durfte nicht fahren.
Er schauderte, als vor seinem geistigen Auge ein zerschmettertes Fahrzeugwrack auftauchte, das blutige Ergebnis eines Unfalls bei zu hoher Geschwindigkeit.
Solange er bei ihnen war, schwebten Helen und Mallory in höchster Gefahr. Gabe nickte seinem Spiegelbild zu. Er hatte die unausgesprochene Nachricht verstanden. Ja, er musste einstweilen aus ihrem Leben verschwinden. Dass sie in diesen Rachefeldzug verstrickt werden könnten, war zu schrecklich, als dass er es hinnehmen konnte.
Es würde Helen nicht gefallen, schon gar nicht nach der vergangenen Nacht. Verdammt, es gefiel auch ihm nicht. Er erinnerte sich daran, wie sie ihm widerstrebend nachgegeben hatte, und diese Erinnerung versetzte ihm einen solchen Stich, dass es ihm den Atem verschlug. Er stöhnte auf. Nichts war je befriedigender gewesen, als diesen Morgen mit Helen in seinen Armen aufzuwachen, sie noch einmal zu lieben, während ihr Bett allmählich in das weiche Licht des neuen Tages getaucht wurde.
Das alles würde er aufgeben müssen – für eine Weile zumindest. Der Gedanke war fast unerträglich, aber die Alternative war noch schlimmer. Er liebte Helen und Mallory viel zu sehr, um sie in Gefahr zu bringen.
»Was tust du da?«, fragte Helen. Sie blieb in der Tür zum Arbeitszimmer stehen. Ihr Magen zog sich zusammen, als sie sah, wie Gabe Kleidung aus einer Schublade nahm und in einen Seesack warf. »Wir können deine Kommode doch einfach zurück ins Schlafzimmer schieben«, meinte sie und konnte selbst die Unsicherheit in ihrer Stimme hören. Es machte den Eindruck, als hätte er vor, irgendwo hinzugehen.
Gabe ließ den halb vollen Sack zu Boden fallen. »Ich muss mit dir reden, Helen«, sagte er mit ernster Miene. Er bedeutete ihr, sich auf das Sofa zu setzen.
Sie trat langsam ins Zimmer, ihre Füße fühlten sich auf einmal bleischwer an. Seit dem Zwischenfall auf dem Highway am Vormittag war sie voller Zweifel. Genau, wie sie es vermutet hatte, war Gabe stärker traumatisiert, als er zugab. Das Martyrium in der Gewalt von Terroristen hatte eine tiefe Paranoia in ihm ausgelöst. Sie nahm ihm das nicht übel, nicht im Geringsten. Aber die Tatsache, dass er in einem solchen geistigen Zustand war, versetzte dem wundervollen Neuanfang, den sie gestern Nacht gemacht hatten, einen Dämpfer.
Angespannt nahm sie auf der Couch Platz, die Hände im Schoß verschränkt.
Gabe ließ sich neben ihr nieder. Seine Kiefermuskeln zuckten. »Ich werde vorerst beim Master Chief wohnen«, eröffnete er ihr. »Nur für einige Zeit. Bis diese Sache ausgestanden ist.«
Schmerz erfüllte Helen, sodass sie kaum einen klaren Gedanken fassen konnte. »Welche Sache?«, wollte sie wissen. »Der Killer auf dem Rastplatz war doch nur ein alter Mann. Warum glaubst du, jemand sei hinter dir her?«
»Ich bin nicht der Einzige, der das glaubt«, entgegnete er bedächtig. »Ein DIA -Agent, der Master Chief und dein Vater glauben es ebenfalls. Irgendwo in meinem Kopf ist der Name der Person, die den SEAL s die Waffen vor der Nase wegschnappt. Diese Person hat mich in Pjöngjang zurückgelassen, weil ich dort sterben sollte. Und sie will mich auch jetzt noch tot sehen.«
Helen seufzte verstört. Sie wusste nicht, was sie glauben sollte. Es klang alles so an den Haaren herbeigezogen. Aber wenn ihr Vater es für wahr hielt, dann war es das vielleicht auch. »Ich verstehe nicht, was es für einen Unterschied macht, wenn du weggehst«, sagte sie. »Wenn du dir Sorgen machst, dann lass dich von deinen Männern beschützen.«
Gabe
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