Aus Dem Dunkel
Strandseite des Geländes schweifen. Die Angst lähmte ihre Arme und Beine.
»Er muss abgehauen sein«, vermutete der Master Chief. Rings um den Bungalow war alles still.
»Gehen Sie mit Mallory rein«, wies Gabe ihn an und schob sie seinem Kollegen zu. »Rufen Sie die Polizei. Ich hole Helen. Wo haben Sie sie zurückgelassen?«
Mom! Auf einmal hatte Mallory furchtbare Angst um ihre Mutter.
»Wir sind hier«, trug der Wind eine Stimme herüber. Helen kam angelaufen und sprang die Stufen zum Eingang hoch, dicht gefolgt von ihrer Freundin Leila. Helen schlang die Arme um Mallory und drückte sie fest an sich. »Mein Baby«, schluchzte sie. »Bist du verletzt?«
Mallory schmiegte sich in die Arme ihrer Mutter. Noch nie hatte sie mit solcher Erleichterung deren herrlichen Duft eingesogen und sich in ihre beruhigende Umarmung ergeben. »Mir tut der Kopf weh«, sagte sie.
»Jetzt ist alles gut«, flüsterte Helen. »Daddy und Sebastian haben dich gerettet.«
»Lasst uns reingehen.« Gabe war deutlich anzuhören, dass der zweite Mann, der noch irgendwo unterwegs war, ihn beunruhigte.
»Wir haben einen Mann ins Wasser laufen sehen«, sagte Leila, immer noch außer Atem. »Dann haben wir einen Schuss gehört. Seid ihr alle okay?«
»Fast alle«, antwortete Sebastian trocken.
Helen brachte Mallory in den Bungalow. Dort wurde klar, was Sebastian gemeint hatte. Selbst in der Dunkelheit, die in dem Informationsbüro herrschte, war die Leiche des zweiten Mannes kaum zu übersehen. Alle viere von sich gestreckt, lag er mitten auf dem Boden, sein Kopf war auf unnatürliche Weise verdreht.
»Mach die Augen zu«, sagte Helen und wandte sich mit ihrer Tochter von dem Toten ab. »Leila, kannst du die Schlüssel für die Handschellen suchen?«
Leila ging vorsichtig neben dem toten Mann in die Hocke und nahm ihm einen Schlüsselbund ab. Sekunden später rieb Mallory sich die befreiten Handgelenke. Mit einem Kribbeln kehrte das Gefühl in ihre tauben Hände zurück.
»Sebastian, rufen Sie an«, hörte Mallory Gabe sagen.
Doch der Master Chief legte den Hörer wieder auf. »Geht nicht. Die Leitung ist tot.«
»Ich habe mein Handy dabei«, bot Helen an. Sie kramte in ihrer Handtasche und wurde fündig. »Der Empfang ist allerdings ziemlich schlecht«, fügte sie hinzu, während sie es Gabe reichte.
Er nahm das Telefon und drückte drei Tasten. Eine quäkende Stimme durchbrach die Stille. »Polizeinotruf.«
In sachlichem Ton fasste Gabe die bizarren Ereignisse zusammen, die sich gerade zugetragen hatten. Während sie sich vor Mallorys geistigem Auge noch einmal abspielten, schien alle Kraft aus ihren Beinen zu weichen. Wenn sie nicht sofort einen Platz zum Hinsetzen fand, würde sie ihre Mutter, die sie stützte, noch mit sich zu Boden reißen. Die dunklen Wände des Raums schienen zu schwanken, ihr wurde übel.
Zum Glück hatte Gabe sie wohl im Auge behalten, denn er ließ das Handy fallen und fing sie auf, als ihre Knie nachgaben. So sackte sie lediglich in seinen Armen zusammen.
Sie können nach Hause gehen, hatte Commander Shafer vor einer Stunde zu ihnen gesagt. Aber Gabe und Helen befanden sich immer noch im Portsmouth Naval Medical Center und ließen Mallory, die nun endlich schlafen durfte, nicht aus den Augen.
Der leuchtend weiße Kopfverband verlieh ihr unter der schwachen Beleuchtung ein verwegenes Aussehen, das durch die vier silbernen Stecker in ihrem linken Ohr noch verstärkt wurde. Bis auf eine leichte Gehirnerschütterung fehlte ihr nichts, zumindest in körperlicher Hinsicht.
Helen strich Mallorys Laken glatt. Gabe saß auf der anderen Seite des Bettes, mit dem Rücken zum Fenster, dessen Vorhänge zugezogen waren. Helen mochte sich gar nicht vorstellen, wie es in ihm aussah, hatte man Mallory doch seinetwegen »verhaftet«.
Wie seltsam das alles war … Vor ein paar Wochen hatte Gabe in einem Krankenhausbett gelegen, und sie und Mallory waren widerstrebend hierher gefahren, um ihn abzuholen. Selbst der diensthabende Arzt war derselbe gewesen. Commander Shafer hatte Gabe zu seiner erstaunlichen Genesung gratuliert und Mallory väterliche Sorge entgegengebracht.
In dieser Nacht sah Gabe erschöpft aus, sein Gesicht wirkte hager und ausgezehrt. Helen wusste, dass er sich die Schuld an dem gab, was beinahe passiert wäre. Und doch konnte er nichts dafür. Es war ihre Schuld, denn sie hatte ihm nicht geglaubt. Er hatte versucht, sie vor einer Verschwörung zu warnen, die gegen ihn eingefädelt worden war.
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