Aus Dem Dunkel
nicht alles von ihm aus ihrem Leben verbannt haben – denn wenn es so war, hatte sie ihn bereits aufgegeben, dann gab es keine Möglichkeit mehr, sie zurückzugewinnen, egal, was Mallory sagte.
Er betrat den begehbaren Kleiderschrank und fand einige Klamotten – ein paar Anzughemden und entsprechende Hosen, die sorgfältig in Plastik verpackt waren. Darunter standen die passenden Schuhe.
War das er? Die Sachen kamen ihm schon irgendwie bekannt vor. Ja, jetzt erinnerte er sich wieder daran. Er hatte sich beim teuersten Herrenausstatter Coronados eingekleidet. Er mochte es, sich in seiner Freizeit gut anzuziehen. Es gab ihm das Gefühl, wichtig zu sein.
Er griff unter einen der Plastiküberzüge und rieb den Stoff eines Jackettärmels zwischen Daumen und Zeigefinger. Die Qualität des Gewebes gab ihm nichts. Er bezweifelte, dass er den Anzug jemals wieder tragen würde, außer auf Hochzeiten oder Beerdigungen vielleicht.
Er wandte sich ab, bestürzt darüber, nur noch so wenig von sich zu finden. Er musste wirklich so lange fort gewesen sein, wie Helen und Mallory behaupteten. Obwohl er wusste, dass er in allem immer der Beste sein wollte, konnte er nicht nachvollziehen, warum er seinen Beruf der Beziehung zu Helen vorgezogen hatte.
Es sei denn, er hatte sich vor ihr und der Macht, die sie auf ihn ausübte, gefürchtet.
Plötzlich überkam ihn ein vertrautes Gefühl, als wäre er in jüngerer Zeit immer wieder zu diesem Ergebnis gelangt.
Er verließ den Schrank und entdeckte hinter einer offenen Tür am anderen Ende des Raums eine Badewanne. Sie war sehr schön, groß genug für zwei und mit Unterwasserdüsen ausgestattet. Ins Zentrum seiner Aufmerksamkeit rückte jedoch ein Bilderrahmen, der in einem Kreis aus heruntergebrannten Kerzen stand und der ein Bild von ihm fasste.
Gabe ging hinüber zur Wanne und betrachtete die Szene genauer. Die Kerzen waren zu kleinen Stumpen heruntergebrannt. Er bezweifelte, dass Helen für ihn gebetet hatte. Nicht, wenn es ihr in erster Linie darum zu gehen schien, ihre Bindung zu ihm zu lösen. Was also hatte das alles zu bedeuten?
Er nahm das Foto und betrachtete es. Es erschien ihm wie das Bild von einem Fremden.
Der Soldat darauf war ein Mann, der als vermisst galt. Er trug einen Wüstentarnanzug, hatte das Haar kurz geschoren, und sein gut geschnittenes Gesicht zierte ein selbstsicheres Lächeln. Er wirkte wie ein Mann, den kaum etwas aufhalten konnte. Sein Blick schien vor Ehrgeiz zu sprühen.
Gabe warf einen Blick in den Spiegel. Er hatte kaum noch etwas mit dem Mann auf dem Bild gemein. Er beugte sich vor und suchte nach den Unterschieden.
Es gab ein paar neue Male in seinem Gesicht: einige weiße Linien um seinen Mund, als Folge seiner aufgeplatzten Lippen, sowie eine Narbe unter seiner linken Augenbraue. Und er hatte dunkle Ränder unter den Augen. Seine Wangen waren eingefallen. Er zog die Lippen zu einer Grimasse zurück. Der fehlende Eckzahn ließ ihn wie einen Piraten aussehen.
Nur die Augen waren immer noch dieselben.
Er fixierte sein Spiegelbild, und diese goldgrünen Augen schienen zurückzustarren. Jaguar . Der Deckname hallte in seinem Kopf mit einer Klarheit wider, als würde ihn jemand in sein Ohr sagen. Er hatte den Namen bekommen, bevor ihn seine Erinnerung im Stich gelassen hatte, vor fünf Jahren, als er dem SEAL -Team 12 beigetreten war.
Du hast so gute Augen, und trotzdem erkennst du nicht einmal, was sich direkt vor dir befindet.
Dieses Mal kam Helens Stimme eindeutig aus der Vergangenheit. Unwillkürlich wich Gabe einen Schritt zurück, so klar war diese Erinnerung, auch an ihren vorwurfsvollen Tonfall. Sie hatten über Mallory gestritten, die irgendetwas falsch gemacht hatte, um Aufmerksamkeit zu bekommen.
»Gabe?«
Verwirrt drehte er sich um, als er Helens Stimme hörte. Rief sie ihn wirklich, oder erinnerte er sich auch daran nur?
Das Geräusch trappelnder Pfoten war die einzige andere Vorwarnung. Bellend zeigte Priscilla an, dass sie ihn entdeckt hatte, und verhinderte gleichzeitig, dass er schnell genug das Badezimmer verlassen konnte. Sie hatten ihn erwischt, zuerst der Hund und dann Helen, die kurz darauf in der Tür auftauchte und verblüfft darüber war, ihn in ihrem Badezimmer und mit seinem Foto in der Hand vorzufinden.
Als er sie erblickte, war sein Kopf plötzlich ganz leer. Ihre Haut war gerötet, weil sie gelaufen war. Das Haar hatte sie zu einem Pferdeschwanz hochgebunden. Sie trug ein Sporttop, das ihren Bauch frei
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