Aus Dem Dunkel
dich. Sie müssen sich nur erst wieder richtig entwickeln.« Sie warf ihm einen weisen Teenagerblick zu.
Gabes Herz schlug schneller. Hatte Mallory recht? Waren Helens Gefühle für ihn vielleicht wirklich noch nicht erloschen? Oh Gott, er hoffte es so. Wenn es wirklich so war, dann würde er sich um diese Gefühle kümmern, ebenso, wie sie es bei ihren Wildblumen tat. Aber wusste er eigentlich, wie? Er hatte sie geheiratet, weil er geglaubt hatte, sie glücklich machen zu können, und was war daraus geworden? Sie selbst hatte ihm gesagt, dass seine Abwesenheit ihre Liebe zum Erlöschen gebracht hatte. Es lag an der traurigen Tatsache, dass er seine Familie einfach ignoriert hatte, dass er nicht wusste, wie man liebte.
War er denn heute in irgendeiner Weise anders als früher? Ja … vielleicht. Seine Gefangenschaft, obwohl er sich nicht an sie erinnern konnte, hatte irgendetwas in ihm verändert, irgendetwas, das er nicht benennen konnte. Es war ein Gefühl, ganz tief in seinem Innern.
Er wollte wieder ein SEAL sein und alles geben, was möglich war. Aber noch mehr wollte er Helen ein guter Ehemann sein und Mallory ein Vater. Das würde seine Strategie sein. Er beschloss, sich um beide zu kümmern und zu beweisen, dass er es wert war, in ihrem Leben eine Rolle zu spielen.
4
Er schlief bis in den späten Nachmittag. Die ersten goldenen Strahlen der Abendsonne leuchteten durch das hintere Fenster des Hauses, als Gabe aus dem Arbeitszimmer getappt kam und sich den Schlaf aus den Augen rieb. »Hallo?« Seine Stimme hallte von der hohen Zimmerdecke wider.
Doch niemand war zu Hause. Nicht einmal der Hund kam angelaufen.
Er fröstelte angesichts der plötzlichen Einsamkeit. In der Küche blieb er stehen, um sich etwas zu trinken zu holen. Die Stille schien ihn regelrecht zu umhüllen und gab ihm das unheimliche Gefühl, ein Déjà-vu zu erleben. Er blickte hinaus auf den Ozean, auf der Suche nach etwas Vertrautem, aber selbst die hohen glitzernden Wellen schienen weit von ihm entfernt zu sein.
Und doch gehörte er hierher, versicherte er sich selbst. Anders als bei Helens Ultimatum – ihre Stimme klang ihm noch immer in den Ohren – gab es hier also keinen Grund, sich verloren zu fühlen, einsam – so verletzlich.
Er ließ seinen Blick über die Einbauregale und Möbelstücke schweifen, um irgendeine Spur zu finden, die er selbst hinterlassen hatte. Es gab jede Menge Bücher und Fotos von Mallory aus der Schule. Jedoch keine Bilder von ihm.
Er leerte sein Glas in einem Zug und wischte sich mit dem Handrücken über den Mund. Er wollte einen Beweis dafür finden, dass dies sein Haus war, einen Beweis, dass Helen ihn einst geliebt hatte, dass eine gemeinsame Zukunft mit ihr durchaus möglich war.
Im Arbeitszimmer hatte er außer seinem Abschlusszeugnis vom College, das neben dem von Helen an der Wand hing, nichts gefunden. Also entschloss er sich dazu, im Schlafzimmer zu suchen.
Er ging an Büro und Kinderzimmer vorbei. Die Tür zu Helens Schlafzimmer stand einen Spaltbreit offen. Er drückte sie weiter auf und fragte sich, ob er den Raum wiedererkennen würde. Wie um ihn willkommen zu heißen, wehte ihm Helens blumiger Duft entgegen. Es blieb jedoch das Einzige, was ihm vertraut vorkam.
Das Zimmer war praktisch eingerichtet, was ihm gefiel. Ein großes Bett nahm die rechte Hälfte des Raums ein. Tagesdecke sowie Vorhänge waren in Erdtönen gehalten, die Wände in Altrosa gestrichen. Hier gab es noch mehr Bücher – Liebesromane – , in Bücherregale aus Eiche gestopft und auf dem Nachttisch liegen gelassen. Die meisten waren alt und zerfleddert und mit einer dünnen Staubschicht bedeckt. Sie waren lange nicht gelesen worden.
Er betrachtete Helens Bett, und ihm war, als würde sich seine Brust zusammenziehen, als er sich vorstellte, wie sie darauflag. Das Kopfende aus Eiche, das wie ein Seil in sich verschlungen war, hatte das gleiche Design wie Schreibtisch und Spiegel. Ihm fiel auf, dass die Kommode, die jetzt im Arbeitszimmer stand, zum Rest der Einrichtung passte. Sie hatte augenscheinlich an der nun leeren Stelle an der Wand gestanden.
Bestimmt gab es in diesem Raum irgendwelche Spuren von ihm. Doch als er seinen Blick über die Regale und Tischchen schweifen ließ, bemerkte er, dass es bis auf einige Romane von Tom Clancy keinen Hinweis darauf gab, dass hier jemals ein Mann gelebt hatte. Es gab nichts, das er sein Eigen hätte nennen können.
Verzweifelt sah er sich genauer um. Helen konnte doch
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