Aus Dem Dunkel
ihn aus. Er konnte kaum atmen, so sehr schmerzte seine Brust.
Er versuchte, sich von dem Gefühl zu befreien. Was kümmerte es ihn, was sie dachte? Soweit er sich erinnerte, hatte er die Frau doch gerade erst kennengelernt. Er wusste also absolut nichts über sie. Wusste nicht, was ihr Lieblingsessen war, welche Musik sie mochte, welche Hobbys sie hatte, nichts. Also, wo lag dann das Problem, wenn sie der Meinung war, ihre Beziehung sei beendet?
Und doch kannte er bereits die Antwort darauf: Ohne sie war er nicht mal mehr ein ehemaliger SEAL . Er war ein gescheiterter Krieger, viel zu schlimm zugerichtet, um je wieder von Nutzen zu sein.
Er starrte in sein Glas und hatte das Gefühl, darin zu ertrinken. Doch dann stieg Ärger in ihm auf, und er riss seinen Blick los. Gott verdammt, er war eben einfach nicht in der glücklichen Lage, eine Frau zu haben, die nur darauf gewartet hatte, dass er nach Hause kam.
Er konnte es ihr nicht vorwerfen, dass sie ihn nicht mehr wollte. Er hatte sich im Spiegel gesehen. Er wusste, wie er aussah. Nur war das nicht der Grund, warum sie Schluss gemacht hatte. Ihr Vorwurf war, dass er nur für sein Team gelebt hatte und nie für seine Familie da gewesen war. Und es hatte vermutlich gar nichts mit seinem momentanen Geisteszustand zu tun oder mit seinem geschundenen Körper. So weit, so gut.
Er hätte eigentlich niemals heiraten dürfen. Er wusste, was für ein Mann er war, wie rücksichtslos, bis zum Exzess. Er wusste sogar, warum er so hart arbeitete – um all die Jahre wiedergutzumachen, in denen er dem Steuerzahler auf der Tasche gelegen hatte. In Anbetracht seiner Familiengeschichte war eigentlich abzusehen gewesen, dass er einen miesen Ehemann und einen noch mieseren Vater abgeben würde.
Aber dann hatte er Helen kennengelernt, und offenbar war sie eine viel zu tolle Frau gewesen, als dass er sie einfach hätte ziehen lassen können. Also war er sich selbst untreu geworden und hatte sie geheiratet. Das Ende der Geschichte hätte er mühelos voraussehen können.
Und wer litt jetzt mehr unter seiner Entscheidung? Er selbst. Sie hatte entdeckt, dass ihr Leben ohne ihn viel leichter war. Er dagegen brauchte sie wie ein Schiff seinen Anker.
Wut flammte in ihm auf, ein willkommenes Gefühl im Vergleich zu dem Schmerz zuvor. Gabe erhob sich mit wackeligen Beinen und lief in der Küche auf und ab. Weil er das Gefühl hatte, zu ersticken, ging er zur Tür. Er brauchte frische Luft, um einen klaren Kopf zu bekommen und sich eine Strategie zu überlegen.
Er trat hinaus und blinzelte in die grelle Sonne. Eine sanfte Brise fuhr in sein viel zu langes Haar, während er die Stufen hinunterstieg. Im selben Moment fühlte er sich seltsam unwohl und blickte sich in der ruhigen Straße nach irgendwelchen verborgenen Gefahren um. Als er weiterging, legte sich dieses Gefühl jedoch wieder. Er war es nur nicht mehr gewohnt, frei zu sein – das war alles.
Unten am Strand entdeckte er Mallory mit ihrem Hund und ging in ihre Richtung. Als sich seine Tennisschuhe mit Sand füllten, streifte er sie ab und lief barfuß weiter.
Während er an dem massiven Metallzaun entlangschlenderte, las er die Schilder, die in regelmäßigen Abständen daran befestigt waren. Achtung: Eigentum der U.S. Navy. Unbefugten ist der Zutritt verboten .
Wieder überkam ihn dieses Gefühl von Unzulänglichkeit, unter dem er schon als Kind gelitten hatte. Behindert, wie er jetzt war, durfte er zwar immer noch in die Marinebasis, aber er war nicht mehr berechtigt, das Hauptquartier der Spec Ops zu betreten, zumindest nicht ohne ausdrückliche Genehmigung. Er war nicht mehr einer von ihnen und zudem mit dem fürchterlichen Verdacht behaftet, sein Land verraten zu haben. Wie der DIA -Agent es neulich angedeutet hatte: Warum sonst sollte ein SEAL sein Gedächtnis verlieren, wenn er nicht den entwürdigenden Augenblick verdrängen wollte, in dem er sich bis auf die Knochen blamiert hatte.
Verdammt, nein! Entschieden schüttelte Gabe den Kopf. Egal, unter welchen Umständen, er hätte niemals auch nur den geringsten Verrat begangen. Er war ausgebildet worden, jeder Folter zu widerstehen, unter allen Umständen zu schweigen.
Er warf einen Blick auf die beiden Finger, an denen die Nägel einwuchsen. Man hatte ihm wahrscheinlich Nadeln darunter getrieben oder sie ihm mit einem Hammer zertrümmert. Na und? Deswegen hätte er noch lange niemandem alles offenbart.
Auch, wenn sie ihm einen Zahn gezogen hatten? Mit der Zunge tastete
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