Aus Dem Dunkel
ja, ihre perfekten Attribute anstarrte. Sie trug Jeans, die so kurz waren, dass er, wenn sie sich vorbeugte, um das Bücherregal abzusuchen, mit dem Blick auf die beiden perfekten Rundungen ihres Pos belohnt wurde. Offenbar trug sie keinen Slip, es sei denn, es war ein String. Diese Option elektrisierte Gabe geradezu.
Mallory kicherte, woraufhin er seinen Blick losriss.
Helen fuhr herum. Sie richtete sich auf und hielt ein Buch vor die Brust gepresst. »Schleich dich nicht von hinten an mich heran«, schimpfte sie.
Abwehrend hob Gabe die Hände. »Ich dachte, ich könnte vielleicht helfen«, bot er mit gerötetem Gesicht an.
»Ich habe alles im Griff.« Helen wandte sich ihrer Tochter zu und hielt ihr ein Buch hin.
»Nicht das dickste von allen!«, jammerte Mallory.
»Was ist es denn?«, erkundigte sich Gabe.
» Les Misérables .« Helen streckte es weiterhin ungerührt ihrer Tochter entgegen. »Sie sollte jetzt damit anfangen, damit sie es bis zum Schulbeginn durchhat.«
»Das finde ich auch«, erklärte Gabe und sah Mallory eindringlich an.
Mallory starrte mit offenem Mund zurück. »Ich aber nicht«, erwiderte sie. »Und ich bin diejenige, die es lesen muss.«
»Entweder du liest es«, bestimmte Helen, »oder du verlässt diese Woche das Haus nicht mehr.«
Gabe trat einen Schritt weiter ins Zimmer. »Ich werde mich darum kümmern.«
»Wie bitte?« Helen drehte sich um und sah ihn ungläubig an.
»Ich mache das«, wiederholte er. »Ich werde sie dazu bringen, dass sie das Buch liest.«
»Und wie?«
»Ich werde es mit ihr zusammen lesen. Es ist ein tolles Buch.«
Mutter und Tochter starrten Gabe an, als wären ihm plötzlich Hörner auf der Stirn gewachsen.
»Okaaay«, meinte Helen gedehnt. »Ich gehe dann mal duschen.« Als sie an ihm vorbeiging, drückte sie ihm das Buch in die Hand. Sekunden später fiel ihre Schlafzimmertür ins Schloss.
War das jetzt ein Sieg? , fragte sich Gabe.
Mallory stützte ihr Kinn in eine Hand und lächelte ihn an. »Du hast Mom ganz schön abgecheckt«, unterstellte sie ihm und grinste von einem Ohr bis zum anderen.
Gabe gab sich keine Mühe, es zu leugnen. Er zuckte nur kurz mit den Schultern und gestand damit sein eindeutiges Interesse ein. »Jetzt komm runter … «, er deutete auf das untere Bett, »… denn ich werde auf keinen Fall zu dir raufklettern.«
Sie brummelte missmutig, rutschte aber hinüber zur Leiter.
Gabe kletterte in die dunkle Höhle aus Kissen und Decken und knipste dort die Leselampe an. »Das Buch wird dir gefallen«, sagte er und lehnte sich mit dem Rücken an die Wand. »Ich habe es auf der Highschool und im College gelesen.« Wieder hatte er ein Déjà-vu. Er hielt einen Moment lang inne, unfähig, der Erinnerung daran, wie er stundenlang mit dem Rücken an der Wand gesessen und gelesen hatte, zu entfliehen.
Ein ihm inzwischen bereits vertrautes, aber unangenehmes Gefühl von Dringlichkeit überkam ihn. Er wusste etwas. Etwas, das er den anderen erzählen musste. Etwas, das Gefahr bedeutete, das ihn einerseits ungeheuer erleichterte und ihm auf der anderen Seite den Schweiß auf die Stirn trieb.
Mallory sprang zu Boden, und das Gefühl löste sich in Luft auf. Sie schnappte sich ein Kissen vom Bett und kuschelte sich neben ihn. »Es hat mehr als dreihundert Seiten«, beschwerte sie sich.
Gabe schauderte. Dann war er mit seinen Gedanken wieder ganz in der Gegenwart. »Zieh deine Schuhe aus«, sagte er, als er ihre Sneakers sah. »Du hast die Schuhe im Bett angehabt? Das ist ja ekelhaft.«
Mallory ließ ihre Schuhe auf den Boden plumpsen. »Du riechst nach Erdbeeren«, bemerkte sie, um von sich abzulenken.
Er hatte ihr Duschgel benutzt. »Wenn du deine Schuhe noch einmal im Bett trägst, sind sie weg«, warnte er sie, ohne auf ihren kleinen Trick hereinzufallen.
»Okay«, meinte sie leichthin und rückte ein wenig von ihm ab.
Er schlug das Buch auf. »Willst du zuerst vorlesen, oder soll ich anfangen?«
»Du!« Die Antwort kam wie aus der Pistole geschossen.
Gabe räusperte sich und begann vorzulesen. Schon bald waren beide völlig von der Geschichte gefesselt.
So interessant Victor Hugos Erzählung auch war, entging es Gabe trotzdem nicht, wie Mallory ihren Kopf gegen seine Schulter lehnte. Eine angenehme Wärme breitete sich in ihm aus und erfüllte ihn – nicht mit Angst, wie er vermutet hätte, sondern mit Zufriedenheit. Möglicherweise hatte er sich das Gefühl nahender Gefahr wenige Minuten zuvor nur eingebildet. Der
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