Aus Dem Dunkel
weinte.
Ihre Augen schimmerten golden wie feuchter Bernstein. Er hatte sich vorgenommen, nie wieder hineinzusehen, wenn sie sich liebten. Doch in dieser Nacht hatte er es vergessen. Ihm war, als würde sein Herz von Emotionen durchflutet. Er konnte ihr einfach nicht in die Augen sehen, ohne ihren Schmerz zu spüren und gleichzeitig dieses überwältigende Verlangen nach ihr.
Voller Angst vor der Macht, die sie über ihn hatte, rollte er sich abrupt zur Seite und starrte hinauf zur Decke, versagte sich selbst die Erfüllung, floh vor den letzten Anzeichen der Liebe in ihrem Blick.
Der Wind, der vom Ozean herüberwehte, strich über Gabes nackte Arme und Beine und holte ihn in die Wirklichkeit zurück. Nun verstand er, warum Helen ihn nicht zurückhaben wollte. Er hatte sich geweigert, ihr die Liebe zu geben, die er sich selbst von ihr genommen hatte. Er hatte befürchtet, seine Gefühle würden ihn zu einem schlechteren Soldaten machen. Und als ihm klargeworden war, wie ihre Liebe zerbrach, war er voller Panik davongelaufen, weil er nicht sehen wollte, wie hoch der Preis für seine Gefühlskälte war.
Gabe stöhnte über seine eigene Dummheit und vergrub das Gesicht in den Händen. Was für ein Idiot er doch gewesen war! Doch hatte er sich jetzt verändert? Er konnte es nicht sagen. Vielleicht. Er wusste nur, dass er vor Glück sterben würde, sollte Helen ihn noch einmal in ihren Armen willkommen heißen. Er würde alles in seiner Macht Stehende tun, damit sie ihn dortbehielt!
Aber würde sie ihn jemals wiederhaben wollen, so vernarbt, so behindert, wie er jetzt war?
Gabe fühlte sich wie erschlagen. Er ging zu einer der Sonnenliegen und ließ sich daraufsinken wie ein Patient bei einem Hypnotiseur. Sein Arzt hatte sich gegen Hypnose ausgesprochen. Bei manchen Patienten weckte sie Erinnerungen, die so real waren, als würden sie das Trauma noch einmal durchleben.
Minuten vergingen, aber nichts geschah. Nur diese eine Erinnerung blieb, quälte ihn, so sinnlich war sie. Ihm zog sich der Magen zusammen, als er der Wahrheit ins Gesicht sehen musste, Helen enttäuscht zu haben.
Mit einem Arm bedeckte er seine Augen, erschöpft, aber auch geradezu schmerzhaft erregt. Er dachte darüber nach, zurück ins Haus zu gehen, Helen seine Gedanken zu gestehen und sie um eine neue Chance zu bitten. Aber was würde er damit erreichen? Sie hatte es heute Nachmittag ja bereits gesagt: Auch wenn du dich jetzt um uns kümmerst, ändert das nichts an der Vergangenheit . Sie wollte diese Enttäuschung nicht noch einmal erleben müssen. Sie konnte es kaum erwarten, ihn nicht mehr an ihrer Seite zu haben. Außerdem musste sie morgen früh zur Arbeit. Er war es ihr schuldig, dass sie zumindest gut schlief.
Obwohl die hölzerne Liege sicherlich nicht besonders bequem war, machte es ihm körperlich nicht besonders viel aus. Die Luft roch würzig und süß nach Wildblumen vermischt mit dem typischen Geruch am Meer. Der warme Wind fuhr ihm durchs Haar wie eine Mutter, die ihren Sohn ins Bett brachte. Er merkte, wie er langsam wegdämmerte, obwohl ihm noch vage bewusst wurde, dass er seine Schlaftabletten nicht genommen hatte.
Die erste halbe Stunde, die er schlief, war erholsam. Dann jedoch begannen Bilder durch seinen Kopf zu geistern wie in einer schrecklichen Diashow.
Verschwommene Schattengestalten stürzten auf ihn nieder. Die Mündung eines kalten Laufs wurde gegen seine Schläfe gepresst. Man riss ihn auf die Füße.
Sie zerrten ihn einen langen Gang hinunter. Halogenlampen blendeten ihn.
Dann wurde er durch eine Tür in eine nur schwach beleuchtete Kammer gestoßen und auf eine stuhlartige Vorrichtung geschnallt.
Und dann war da diese fürchterliche, immer wiederkehrende Angst, dass sie dieses Mal, dieses Mal etwas aus ihm herausbekommen würden.
Da, eine Hand auf seiner Schulter. Nicht meinen Mund , flehte er im Stillen, während ihm der Schweiß in Strömen über den Körper rann.
Die leisen Schritte seines Foltermeisters.
Immer wieder glitt ein Schatten über sein Gesicht. Die Worte des Mannes waren nie mehr als ein Wispern. Die anderen, die sich um ihn kümmerten , brüllten immerzu. Gabe fürchtete die geflüsterten Befehle, die über Seung-Kis Lippen kamen. Der Foltermeister stellte seinen Aktenkoffer auf einen Tisch und öffnete ihn fast schon zärtlich. Metall kratzte über Metall. Es waren Seung-Kis Folterwerkzeuge – die er so anordnete, wie er sie brauchte. Dabei hatte er Gabe bereits mit Fäusten und Füßen
Weitere Kostenlose Bücher