Aus Dem Dunkel
explodierenden Lagerhaus umkam? Dieselbe Person würde nun sicher auch nicht wollen, dass er sich an irgendetwas erinnerte.
»Passen Sie auf sich auf, Lieutenant«, schärfte ihm der Beamte ein. »Es kann nicht schaden, wenn Sie einige Ihrer Freunde bitten würden, Ihnen den Rücken freizuhalten.«
»Stimmt«, meinte Gabe und dachte an die Mitglieder seines Platoons.
»Ich fahre dann besser wieder. Ich möchte nicht in den Berufsverkehr geraten«, erklärte Forrester und streckte zum zweiten Mal eine Hand aus.
Gabe schüttelte sie und brachte den Mann zu seinem Wagen.
Noch lange, nachdem der Sedan abgefahren und außer Sicht war, stand er unten am Treppenabsatz und starrte ihm nach. Er hatte eine Gänsehaut. Gemischte Gefühle versetzten ihn in Aufruhr. Aber was er am meisten verspürte, war Erleichterung.
Er war nicht paranoid. Er hatte sich den Anschlag auf sein Leben nicht eingebildet. Was dieser Erkenntnis folgte, war das dringende Bedürfnis, seinen Angreifer aus dessen Versteck zu locken. Er musste den Grund erfahren, warum man ihn umbringen wollte. Wenn Sebastian recht behielt und man ihn im Lagerhaus von Pjöngjang zurückgelassen hatte, dann war dieser unbekannte Gegner schon eine ganze Weile hinter ihm her.
Oh Gott, wer zum Teufel konnte es sein? Ein Maulwurf , hatte Forrester gesagt. Jemand aus dem Team? Der bloße Gedanke war unfassbar. Jeder SEAL , den er kannte, war durch und durch Patriot wie er selbst, bereit, für seine Kameraden zu sterben. Niemals würden sie ihr Team verraten.
Irgendwo in Gabes Erinnerung vergraben lag die Antwort auf diese Frage. Er schlug sich vor die Stirn, als könne er so das Geheimnis an die Oberfläche befördern.
Mit ein paar gemurmelten Flüchen drehte er sich zur Treppe um und nahm zwei Stufen auf einmal nach oben. Er spürte, wie er seine Selbstsicherheit wiederfand, angespornt durch die eiserne Entschlossenheit, seinen Feind ausfindig zu machen und ihn zu vernichten, bevor der ihn auslöschen konnte.
»Ist alles okay, Dad?« Mallory erwartete ihn oben an der Treppe. Als sie den Ausdruck auf seinem Gesicht sah, trat sie einen Schritt zurück.
»Ja, alles prima«, erwiderte Gabe und genoss den Adrenalinstoß. »Machen wir unsere Arbeit fertig.« Er zog sein T-Shirt aus, denn er wollte die Narben, die seinen Körper verunstalteten, nicht länger verstecken. Er hatte sie sich verdient, bei Gott. Er würde diesen armseligen Hurensohn erwischen, der ihn im vergangenen Jahr durch die Hölle gejagt hatte, und ihm alles zurückzahlen.
Bestürzt starrte Mallory ihn an. »Okay«, sagte sie dann und ging zur anderen Seite der Terrasse, wo Reggie gerade eine Pause machte. Die beiden waren fast damit fertig, den Terrassentisch abzuschleifen.
Gabe schnappte sich den Bandschleifer und nahm seine Arbeit wieder auf. Mit sicheren, entschlossenen Bewegungen zog er die Maschine über das Holz. Auf der Straße fuhr ein Wagen vorbei, und Gabe riss den Kopf hoch, schreckhaft wie ein Eichhörnchen auf einer Hochspannungsleitung.
Offensichtlich war durch die Gefangenschaft sein Nervensystem in Mitleidenschaft gezogen worden. Er musste sich wieder beruhigen und sammeln, sonst würde er nie wieder ein SEAL werden. Die Zeit war gekommen, um die Mutter aller Krebse aus dem Verborgenen zu holen.
10
Helen konnte das Trio sehen. Die drei arbeiteten immer noch mit aller Kraft an der Terrasse. Es war Viertel nach drei am Nachmittag, und die Sonne brannte vom wolkenlosen Himmel. Mallorys Haut wäre längst ganz verbrannt gewesen, wenn sie sich nicht eingecremt hätte. Helen schüttelte den Kopf und seufzte. Warum, oh, warum nur, dachten Väter nicht an solche Dinge?
Doch dann fiel ihr ein, dass Gabe gar nicht Mallorys Vater war. Er hatte sich nie den Papierkram aufgehalst, Mallory zu adoptieren. Helen stellte den Motor ab und kletterte aus dem Wagen. Sie trug das grüne schulterfreie Top, das sie in Leilas Studio gekauft hatte.
Oben auf der Terrasse spielte leise ein Radio und überdeckte das Geräusch ihrer Schritte. Sie spähte um die Ecke.
Die drei hatten sie nicht gehört. Alle schmirgelten mit Sandpapier am Holz der Terrasse herum, ein Geräusch, bei dem sich Helen die Nackenhaare aufstellten. Sie ließ ihren Blick von Reggies flammend roten Locken zu Mallorys geröteter Haut und weiter zu Gabes nacktem Rücken wandern, der vor Schweiß glänzte.
Erst dann fielen sie ihr auf. Die Narben, die sich von der Haut seines umwerfenden Oberkörpers abhoben. Sie rang nach Atem. Jede Narbe
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