Aus dem Jenseits verfolgt (German Edition)
müssen, um das nicht zu erkennen. Er musste, wenn er eine deutliche Antwort von ihr haben wollte, aber schon offen sprechen. Phoebe hielt nichts von Andeutungen und Halbgesagtem.
Entweder – oder hieß es bei ihr. Eins ihrer Lieblingszitate war, man müsse sich schon klar entscheiden, und ein wenig schwanger gäbe es auch nicht. Die Farmerin kehrte ins Haus zurück und verschloss alle Türen. Sie legte die Fensterläden im Erdgeschoß vor und band sie zusätzlich fest.
Aber sie wusste, dass ihre Farm keine Festung war. Und ein Geist konnte, soweit Phoebe wusste, sogar durch Wände gehen und durch jede Ritze und jeden Spalt eindringen. Als Zwölfjährige hatte sie »Dracula« von Bram Stoker gelesen und sich entsetzlich gegruselt. Nächtelang hatte sie kaum ein Auge geschlossen und im Zimmer das Licht brennen lassen.
Sie hatte sich so in ihre Angst hineingesteigert, dass sie sich sogar Knoblauch vors Fenster hängte und mit einem Kreuz an einer Kette um den Hals zu Bett ging. Als sie in der Abenddämmerung tatsächlich einmal eine Fledermaus über der Farm fliegen sah, hatte sie schreiend den Milcheimer fallengelassen und war sofort ins Haus gerannt.
»Daddy, Daddy, Dracula ist hinter mir her!«, hatte sie ihrem Vater zugerufen.
Dem war es zu bunt geworden. Er hatte die Dracula-Schwarte im Kamin verbrannt und seiner Tochter einen langen Vortrag über Aberglaube und Unsinn gehalten. Phoebe hatte ihn sich zu Herzen genommen, das Knoblauch wieder in die Speisekammer getragen und das Kruzifix in die Schublade gelegt.
Zunächst hatte sie Angst, als sie so – schutzlos – im Dunkeln lag. Sie hatte auf das Knacken der Dielen und auf jedes noch so geringe Geräusch gelauscht. Doch schließlich hatte die Natur dann ihr Werk getan. Von Müdigkeit überwältigt, schlief Phoebe ein. Am nächsten Morgen, als sie keine Bissmale an ihrem Hals fand, konnte Phoebe schon über ihre Phobie lachen.
Seitdem hatte sie die Gespensterfurcht überwunden gehabt. Bis sich die unheimlichen Geschehnisse auf der Starr-Farm ereigneten, hatte Phoebe damit keine Probleme mehr gehabt. An diesem Abend aber schlich sie durchs Haus.
Unheimlich still war es, und doch nicht still. Die Standuhr tickte. Dielen knackten. Die Holztreppe knarrte, als Phoebe hinaufstieg. Im Bett suchte sie wieder ihr Liebeskummer heim. Randys Bild mit dem blutigen Rahmen hatte sie im Kamin verbrannt, die sie extra dazu entzündete, und die Blutstropfen weggeputzt.
Jetzt dachte sie abwechselnd an Bill Jackson und an den Geist, der sie bedrohte. Phoebe wälzte sich im Bett hin und her. Ein schmaler Streifen Mondlicht fiel ins Zimmer. Die Stores waren nicht ganz zugezogen. Die Läden vorm Fenster hatten Querritzen, durch die Mondlicht fiel.
Phoebe stützte das Kinn auf die Hand, an der sie drei Ringe trug. Sie fühlte sich völlig verlassen, und sie wünschte sich mehr als alles andere, Bill würde anrufen. Sie selbst wollte ihn nicht anrufen. Dazu war sie zu verbohrt und hatte ihren Stolz.
Schlag Mitternacht – Phoebe war gerade eingeschlafen – läutete das Telefon. Die Farmerin schreckte auf und sprang aus dem Bett. Sie lief eilig in den Flur, wo der Zweitapparat für den ersten Stock an der Wand hing.
Verschlafen meldete sie sich. Es ist Bill, dachte sie. Er will wissen, wie es mir geht und ob alles in Ordnung ist.
Sie hatte recht.
»Ich bin es – Bill. Alles okay bei dir?«
»Ja«, antwortete die junge Frau.
Sie brachte es nicht fertig, ihrem Exverlobten von dem Tod von Old Grub zu berichten. Bill hätte das als einen Hilferuf ausgelegt und sich womöglich verpflichtet gefühlt, sofort herzukommen, um sie zu beschützen. Das aber wollte Phoebe vermeiden. – Bill hatte sie verlassen. Also sollte er auch wegbleiben.
Ihre Probleme waren nicht seine Probleme. Er hatte sich gegen die Farm entschieden, und sie fand, sie hätte kein Recht, ihn moralisch unter Druck zu setzen, damit er ihr beisprang.
»Wie kommst du zurecht?«, fragte Bill.
»Weshalb willst du das wissen? Warum hast du mich überhaupt angerufen? Ich habe die Farm schon die ganze Zeit gehabt. Weshalb sollte ich plötzlich nicht mehr zurechtkommen? Selbst, wenn es nicht so wäre, was geht dich das noch an?«
»Gut, wenn du meinst, dann brauche ich ja nicht mehr anzurufen«, antwortete Bill eingeschnappt. »Gute Nacht.«
»Wenn du schon anrufst, dann bitte früher. Ich brauche meinen Schlaf. Hier wird nämlich gearbeitet.«
Nach der deutlichen Abfuhr legte Bill auf. Hinterher bereute es
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