Aus dem Jenseits verfolgt (German Edition)
diesen. Die junge Frau fühlte sich sterbenselend. Die erste Nacht nach der Trennung war besonders schlimm. Regelrechte Entzugserscheinungen setzten ein, wegen der fehlenden Nähe des geliebten Menschen. Phoebe entsann sich, gelesen zu haben, dass Liebende bei enger körperlicher Nähe Endorphine austauschten, Minipartikel, die erst vor kurzer Zeit medizinisch nachgewiesen waren.
Sie erzeugten ein Hochgefühl und führten zur Gewöhnung. Wenn die Endorphinausschüttung wegfiel, die über die Haut stattfand und nicht vom Sex abhängig war, kam der Entzug. Die medizinische Erklärung war natürlich äußerst nüchtern für einen Schmerz, der sich in Volksliedern und Balladen genauso niederschlug wie in modernen Romanen.
Der Mond schien auf die Farm am Helotes Creek. Irgendwo in der Nähe heulte ein Kojote ihn unter dem weiten Himmel von Texas an. Phoebe weinte sich in den Schlaf. Sie sehnte sich mit jeder Faser ihres Körpers nach Bill, und es ging ihr sehr schlecht. Manchmal glaubte sie, sie würde den psychischen Schmerz nicht aushalten können.
In dieser Nacht erschien die dunkle Gestalt nicht auf der Farm.
*
»Hallo, Phoebe, du siehst aber schlecht aus. Hat dich wieder der Spuk heimgesucht?«
Es war Dienstagmorgen. Phoebe wollte gerade aufs Feld fahren, als Ted Addams sie ansprach. Er war gerade aus seinem Auto gestiegen.
»Nein. Es ist etwas anderes, Privates.«
»Mir kannst du es ruhig sagen, Mädel. Mir kannst du vertrauen. Ich will dir doch bloß helfen.«
Phoebe konnte nicht anders. Sie schluchzte los. Blind vor Tränen stellte sie den Motor des Traktors, stieg herunter und weinte sich an Addams Schulter aus. Der lange Farmer tröstete sie.
»Was ist jetzt denn geschehen? Hast du Liebeskummer?«
»Ich... habe mich von meinem Verlobten getrennt. Es ist aus. Bill kommt nicht mehr wieder.«
»Jetzt beruhige dich erst mal, Phoebe. Wir gehen ins Haus, und dann kannst du mir alles erzählen. Ich bin hier, weil ich dir wieder bei der Arbeit helfen will. Auf meiner Farm kommen meine Helfer gut zurecht. Du kannst meine Hilfe also unbesorgt annehmen.«
Phoebe hatte sie sowieso nicht ablehnen wollen. Als Addams sie ins Haus führte, rannte Old Grub vorbei. Der Pit Bull knurrte den Farmer an. Er war bitterböse sein. Sein Nackenfell sträubte sich. Er hätte Addams glatt gebissen und übel zugerichtet, wenn sich Phoebe nicht vor ihn gestellt und den Hund dann am Halsband gepackt und mit Gewalt weggezerrt hätte. Sie sperrte Old Grub in den Stall.
»Was hat er denn plötzlich gegen dich?«, fragte sie ihren Nachbarn. »So hat er sich ja noch nie angestellt.«
»Ich habe keine Ahnung«, sagte Addams. Er überlegte. »Vielleicht ist es, weil ich vorhin meinen Kater auf dem Schoß sitzen hatte und gestreichelt habe. Ich habe noch den Katzengeruch an mir.«
»Das könnte sein«, sagte Phoebe.
Im Haus setzte sie Addams Kaffee mit einem guten Schuss Whisky vor und goss sich selber ein. Dann erzählte sie ihrem Nachbarn, was der Grund des Zerwürfnisses mit ihrem Verlobten war.
Addams zündete sich, nachdem er um Erlaubnis gefragt hatte, eine Zigarette an.
»Du wirst es überwinden«, sagte er. »Aus Bill Jackson wäre nie ein rechter Farmer gewesen. Ein Schullehrer und eine Farm passen nicht zusammen. – Tröste dich, Phoebe, es wachsen noch mehr Äpfel am Baum.«
Er redete Phoebe Mut zu. Addams war es dann, der sich auf den Traktor setzte und auf den Acker fuhr. Phoebe blieb im Haus, wo sie einiges zu erledigen hatte. Die letzten beiden Nächte hatte sie miserabel geschlafen. Deshalb legte sie sich, obwohl sie dabei ein schlechtes Gewissen hatte, auf die Couch und hielt ein Nickerchen.
Aus dem Nickerchen wurde ein dreistündiger tiefer Schlaf. Als Phoebe dann aufwachte, erschrak sie. Einmal, weil es schon so spät war – sie hatte so viel in der Zeit erledigen wollen. Zum anderen, weil auf dem Tisch vor ihr ein Bild von Randy stand, das sie mit Sicherheit nicht dorthin gestellt hatte. Der Silberrahmen des Bildes war blutig. Eine Spur von Blutstropfen führte durchs Zimmer und aus der Tür.
Mit klopfendem Herzen holte Phoebe das Hackmesser aus der Küche und folgte der Blutspur. Sie führte über den Hof zu dem Schuppen, in den sie Old Grub gesperrt hatte. Im Schuppen regte sich nichts. Totenstille herrschte.
Entschlossen stieß Phoebe die knarrende Tür auf. Sonnenlicht fiel grell in einer breiten Bahn in den Schuppen. Der Pit Bull lag in der hintersten Schuppenecke in einer Blutlache. Sein Körper
Weitere Kostenlose Bücher