Aus dem Leben eines Lohnschreibers
was das heißt, ah yalan dünyada. Ihr Blick wurde ganz feierlich, als sie es mir übersetzte: »Ach, du verlogene Welt.«
Nachbemerkungen zu den Geschichten
(Herbst 2008)
»Lohnschreiber« ist eine herabsetzende Berufsbezeichnung, und genau deswegen stilisieren wir, mein Icherzähler und ich, uns mit einem gewissen Vergnügen als Vertreter dieser Spezies. Es ist ein bißchen riskant, weil ironische Spiegelungen aus Zeitmangel oder Leseschwäche oft für bare Münze genommen werden. Kaum spricht man als Schriftsteller vom Geld, das auch ein Autor zum Leben braucht, bezweifeln manche Feingeister des Feuilletons, daß man etwas zu sagen hat. Der wahre Dichter denkt nicht ans Honorar und Tantiemen, sondern teilt sich aus innerem Antrieb mit - so die noch immer nicht ganz beerdigte Vorstellung. Kommt durchaus auch vor, kann ich versichern, daß ich ohne Auftrag, nur aus Haß oder Liebe auf meine Tasten tippe, oder um mich oder jemanden, den ich mag, zu rächen. (Unten, in der letzten dieser Nachbemerkungen zu der Geschichte »Die Göttin der Filiale« erwähne ich einen Artikel, mit dem ich einmal eine Schauspielerin vor Angriffen der Bildzeitung in Schutz nahm. Bei derartigen Texten geht es natürlich nicht ums Honorar, sondern um das schöne Retten der Ehre.)
Am Rande des Literaturbetriebs, abseits der Tröge der Kulturförderung und des Preisvergabegemauschels lungert der Lohnschreiber herum und findet sein Auskommen. Die Hochkultur ist ihm verstellt und vergällt, er schreibt immer an einem Roman herum, natürlich ohne große Ambitionen, wie er zumindest behauptet, weil er ambitionierte Literatur nicht mag. Seine Spötter werfen ihm vor, von einem Bestseller zu träumen, ein Vorwurf, der so falsch nicht ist, denn ein Bestseller und ein aufgefülltes Konto würde den Lohnschreiber in den Stand setzen, weniger schreiben zu müssen und mehr Zeit zum Lesen zu haben.
»Lohnschreiber« ist ein altmodisches Wort. Es haftet ihm etwas Unehrenhaften, fast etwas Gedungenes an, wie einem Auftragskiller, der für ein Handvoll Dollar gewissenlos unliebsame Personen erledigt. Und tatsächlich bin ich im Laufe meines Autorendaseins immer mal wieder gebeten worden, gegen Haßfiguren wie Helmut Kohl oder Edmund Stoiber literarische Salven abzufeuern, eine Bitte, der ich allerdings nicht gewissenlos, sondern aus inbrünstiger Überzeugung gefolgt bin. Die Zeit und das Vergehen haben diese Personen in der Versenkung verschwinden lassen, nicht die Angriffe von Literaten. Einzig der von mir gehaßte und literarisch mehrmals verhöhnte Roland Koch ist zum Zeitpunkt, in dem ich dies hier bemerke, noch immer aktiv. Ich möchte allerdings eine Wette anbieten: Dies Lohnschreiberbuch ist sicher nicht für die literarische Ewigkeit, aber es wird länger auf dem Markt sein als dieser Politiker auf der politischen Bildfläche.
Politiker spielen in diesem Buch keine große Rolle. Nachdem ich jahrelang mit Superlativen wie »einer von Deutschlands scharfzüngigsten und bissigsten Schriftstellern« leben mußte oder durfte, bin ich, geschmeichelt aber auch genervt von dem ständig wiederholten Lob, mittlerweile dazu übergegangen, mich als altersmilde zu bezeichnen. Mein Icherzähler und ich, wir zeigen uns daher nicht als Wüteriche, wir wollen in unseren Erzählungen und Berichten sanft darauf hinweisen, daß die zum Teil noch immer schief angesehene Auftragsarbeiten literarisch erstens durchaus etwas taugen können und daß man als Autor zweitens nicht nur Geld verdienen, sondern auch einiges erleben kann, wenn man sich darauf einläßt, für Zeitschriften Texte über Weihnachten oder das Weintrinken zu schreiben oder gar die Moderationstexte für die Verleihungsfeier eines Fernsehpreises zu ersinnen.
Nicht unrichtig aber auch nicht ohne Koketterie und Versteckspielerei habe ich die Geschichten in »halb wahr«, »fast wahr« und »ganz wahr« unterteilt. In einem höheren Sinn sind sie natürlich vollkommen wahr: sie zeigen nicht nur den Schriftsteller am Schreibtisch, am Telefon, auf der Buchmesse und am Rednerpult, sondern auch die Verrücktheiten einer Gesellschaft, die einiges Geld dafür ausgibt, sich von Künstlern verspotten oder in Frage stellen zu lassen und dann oft genug wieder halbherzig zurücksteckt.
Voll daneben
Auftragstext, um einiges gekürzt erschienen im Herbst 2004 in einer Sondernummer der Architekturzeitschrift »Baumeister« zur Architekturbiennale in Venedig. Das ganze Heft beschäftigte sich mit der Peripherie,
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