Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Aus dem Leben eines Lohnschreibers

Titel: Aus dem Leben eines Lohnschreibers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joseph von Westphalen
Vom Netzwerk:
entgehen lassen, die aktuellen Auswirkungen der Finanzkrise hineinzuschreiben und entsprechende Schmähungen gegen das Spekulationsgewerbe auszubringen. Wenn durch die Börsentalfahrt dem Ich-Erzähler auch nur ein Cent seines Geldes auf der Bank abhanden gekommen wäre, würde er den Blazer der Powerfrau mit mehr Legitimation aufreißen.
    Ganz unwahr ist die Geschichte insofern nicht, als ein höheres Chefetagentier der einst ehrwürdig verhaßten und dann durch den Vorstandsfatzke Josef Ackermann zu einem Proleteninstitut verkommenen Deutschen Bank in der Mitte der 1990er Jahre mit mir schriftlich Kontakt aufnahm, nachdem er bei einer Lesung Gefallen an mit gefunden hatte. Der mir persönlich unbekannte Mann fragte tatsächlich, ob ich mir vorstellen könnte, einen Vorschlag zu einem Slogan für die Bank zu machen. Ganz ohne Logik ist eine solche Frage nicht. Zehn Jahre zuvor hatte ich einmal in einem langen Essay für die damals noch lebendige Zeitschrift »Kursbuch« die Idiotie der Werbung geschmäht - prompt wurde mir ein fester Job in einer Düsseldorfer Werbeagentur angeboten, den nicht anzunehmen ich mir dank meiner fleißigen Lohnschreiberei zum Glück leisten konnte. Computer-Hacker werden ja auch von Softwarefirmen um Mitarbeit gebeten. Der Mensch von der Deutschen Bank bot mir allerdings keine Unsumme, sondern 5000 Mark für den Vorschlag. Würde der akzeptiert, dann werde man sich über ein angemessene Honorierung sicher einigen. Ich mußte auch nicht nach Franfurt fahren, ein kleines schriftliches Exposé würde genügen.
    Ich legte mich nicht fest, auch aus ideologischen Gründen. Zwar bin ich als freier Schriftsteller (zumal wenn ich mit der Berufsbezeichnung »Lohnschreiber« kokettiere) ein selbstständiger und umsatzsteuerpflichtiger Unternehmer, aber noch zahlen die Verlage Vorschüsse und ich muß nicht wie ein regulärer, aufs Investieren angewiesener Unternehmer zur Bank gehen, Glaubwürdigkeit vortäuschen und um Kredite und günstige Rückzahlungsbedingungen bitten, wenn ich ein neues Projekt auf den Weg bringen will. Ich kann die Banker, da ich fast nur ihre Geldautomaten benutze, also nach Herzenslust als schnöselige Raffkes verachten.
    Wenn sie zu meinen Lesungen kommen und meine Bücher lesenswert finden, wird mein Urteil über die Banker milder. Dennoch war mir die Vorstellung zuwider, mir für eine große und irgendwie feindliche Bank einen Spruch auszudenken, mit dem dann möglicherweise geworben werden würde. Ich regierte daher nicht. Der Bankmensch erinnerte mich ein, zwei Mal geduldig, vielleicht hatte er mit Künstlern zu tun und war Mißachtung gewohnt. Eines Vormittags ließ er plötzlich durch seine Sekretärin mitteilen, am Nachmittag sei die entscheidende Sitzung, in der auch die neuen Sloganvorschläge auf den Tisch kämen.
    Ich hatte keine Idee und auch keine Lust auf das Tippen eines Exposés, auf die 5 Tausend Mark allerdings hatte ich Lust. Ich ging in ein Café, trank zwei Tassen, bat den Kellner um ein Blatt seines Kellnerrechnungsblöckchens, malte eine Girlande darauf, schaute aus dem Fenster und schrieb dann die Worte »Glück gehabt« auf. Zu Hause faxte ich den Zettel an die Bank. Weil er klein war, zog ihn das Faxgerät schief ein. Daß meine schlampig hingekritzelten zwei Worte auch noch verdreht und verzerrt in der Vorstandsetage ankommen und dann wie Fremdkörper auf dem Konferenztisch liegen würden, empfand ich als erheiternd und auch als stillen Ausdruck dessen, was ich von der Bank hielt.
    Dann schrieb ich eine Rechnung über 5 Tausend Mark plus Mehrwertsteuer und faxte sie hinterher schön gerade hinterher. Ich hatte mir schon gedacht daß »Glück gehabt« kein Slogan für eine Bank ist. Eben weil Banker kriminelle Glücksspieler sind, wollen sie nicht den Eindruck von Glück, sondern von Zuverlässigkeit erwecken. Als mir mein Auftraggeber in einem sehr freundlichen Brief die Ablehnung meines Vorschlags mitteilte, war ich erleichtert. Wenig später schrieb ich dann die Geschichte »Glück gehabt - Die Nacht mit der Powerfrau«, keine drei Monate später war die Taschenbuchanthologie schon erschienen und ich schickte dem Bankmann ein Exemplar. Seine Antwort freute mich. »Sie werden mir langsam unheimlich«, schrieb er.

La Donna è mobile
    Um einiges kürzer 2007 in einem edlen Zürcher Magazins namens »Leo« erschienen, in dem exquisite Läden der Stadt keine Werbung machten, sondern über sich schreiben ließen. Die Branche spricht von einem

Weitere Kostenlose Bücher