Aus dem Leben eines Lohnschreibers
die für Architekten nicht nur die Hölle ist, weil sie sich dort baulich ungehemmter austoben können - was die Peripherien allerdings oft noch unbewohnbarer macht. Wenn ich die Geschichte zu den halb wahren zählen muß, dann, weil ich den Vortrag nicht gehalten habe und weil es diese Krawattenfirma nicht gibt.
Ich hatte in der Vergangenheit ein paar Mal mit der Edelfüllerfirma Montblanc zu tun, für die ich einen Literaturpreis konzipierte und organisierte. Da ich selbst (wie in den Lohnschreibergeschichten des öfteren wahrheitsgemäß erwähnt) keine Literaturpreise erhalte (und eben daher vermehrt zur Lohnschreiberei gezwungen bin), war es mir ein Vergnügen, im Namen von Montblanc wenigstens Literaturpreise zu vergeben. Die Abwicklung eines solchen Preises ist eine Menge Arbeit. Manche Kollegen, die hemmungslos Literaturpreise einstreichen, wenn sie von Steuergeldern finanziert werden, rümpfen die Nase, wenn das Geld von der Wirtschaft beziehungsweise einem Luxusgüterhersteller kommt. Ich mußte sie regelrecht beschwatzen, mitzumachen. Weil das Herumtelefonieren, das Lesen und Beurteilen fremder Texte und das Zusammenstellen und Bändigen einer Jury mit viel Arbeit verbunden ist, und weil ich als Nichtliteraturpreisträger nicht immer auf all die Literaturpreisträger neidisch sein wollte, war mein Honorar so hoch wie der Preis. 20 Tausend Mark.
Als ich das erste Mal die das Montblanc-Werk besuchte, wunderte ich mich, daß die Edelmarke nicht in einer edlen Ecke des edlen Hamburger Zentrums residiert sondern am bezahlbareren Rand der Stadt. Beim Schreiben der Peripheriegeschichte mußte ich daran denken. Auch daran, daß die Redaktion der Süddeutschen Zeitung nicht zuletzt wegen der Gewinnausschüttungsgelüste ihrer Inhaber gezwungen wurde, vom Herzen der Münchner Innenstadt an den grausamen Stadtrand zu ziehen, mit dem einen keine Architektur der Welt je versöhnen kann.
Glück gehabt
Zunächst war da eine Betrachtung, um die ich 1997 gebeten worden war. Über das Wesen und Unwesen der damals, zumindest in den Medien, zunehmend auffallend in Erscheinung tretenden »Powerfrau« sollte ich mich auslassen. Ich weiß nicht mehr, welche Zeitung oder Zeitschrift diese Überlegungen von mir haben wollte. Wenig später bat mich die Herausgeberin einer dieser billigen, weniger abfällig gesagt preisgünstigen Anthologien, die eine Saison lang im Buchhandel herumliegen und dann spurlos verschwinden, um eine knackige, möglichst zeitgemäße Geschichte. Die Powerfrau war noch in meinem Kopf lebendig. In dem Essay hatte ich diese Figur nicht entfalten können, das ließ sich nun im Rahmen einer Erzählung nachholen. Im Titel der Anthologie standen möglicherweise Begriffe wie »Sommer«, »Erotik«, »Männerphantasien«, was, fand ich, dem Ich-Erzähler das Recht gab, den Blazer der Bankerin in herrischer Lustwut aufzureißen. Die ursprünglichen essayistischen Bestandteile merkt man der Geschichte noch deutlich an, aber da es sich hier nicht um einen Erzählwettbewerb handelt, habe ich diese Passagen bei der Durchsicht für dieses Buch nur unwesentlich reduziert, auch wenn sie die Handlung nicht gerade vorantreiben.
Später habe ich die Geschichte angereichert und um diesen Overheadprojektoren-Unsinn und das an die Wand geworfene Fragezeichen ergänzt, eine Vorführung, die ich tatsächlich exakt so erleben durfte, wenn auch nicht in einem Frankfurter Hotel, sondern in einem ehrwürdigen Schloß in England in der Nähe von London (Cumberland Lodge im Windsor Park), wo im Rahmen eines Fortbildungsseminars für britische Deutschlehrer und Universitäts-Germanisten ein Mensch von der Hessischen oder Thüringischen Landesbank die Bedeutung seines Geldinstituts auf diese Weise seinen Zughörern zu vermitteln suchte. Am Schluß dieses Fortbildungswochenendes stand eine Lesung von mir auf dem Programm. Um den Zuhörern zu zeigen, wie schnell man die Wirklichkeit in die Literatur einfließen lassen kann, verzichtete ich auf das gemeinsame Abendessen und baute in der Zeit den kuriosen Landesbankvortrag, unter dem die Teilnehmer und ich am Nachmittag hatten leiden müssen, in meine abendliche Lesung ein. Die entsprechenden Passagen wurden dann auch mit größter Heiterkeit aufgenommen, zumal es eine andere Referentin mit Blazer gab, die der Powerfrau meiner Geschichte verdächtig ähnelte.
Wenn ich die Geschichte im Herbst 2008 in Gegenwart von Bankleuten vorzulesen gehabt hätte, hätte ich es mir sicher nicht
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