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Aus dem Nichts ein neues Leben

Aus dem Nichts ein neues Leben

Titel: Aus dem Nichts ein neues Leben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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klobigen Stiefeln das Wasser herunter, und wie er jetzt in seiner verblichenen Uniformhose und der gesteppten russischen Jacke dastand, gezeichnet von fünf Jahren Straflager und zermürbender Holzfällerei im Urwald von Nowo Kalinsky, südlich des Lenabogens bei Jakutsk, wie er nun seine Frau wiedersah und seine drei Kinder, in einer Wohnung, wie sie früher in Ostpreußen nur die großen Herren gehabt hatten, und darunter war ein piekfeiner Schuhladen mit zwei großen Schaufenstern, und darin waren Schuhe aus Italien und Frankreich, und ›Westschuh‹ stand breit über dem Geschäft, und an der Tür: Besitzer Ewald Kurowski … und die Erna hatte ein Kleid an, wie früher die Schauspielerinnen im Film, mit Gold durchwirkt und so tief über der Brust ausgeschnitten, daß man fast alles sah, und eine Goldkette trug sie mit einem großen blauen Stein, den hatte er ihr nie gekauft, aber er hieß Aquamarin, das wußte er, wie er das alles sah, der arme, dreckige, ausgelaugte Plenny Ewald Kurowski, den man von heute auf morgen begnadigt hatte, nachdem man ihn erst zum Tode und dann zu lebenslanger Zwangsarbeit verurteilt hatte, schlich in ihn so etwas wie Angst vor diesem neuen Leben, in das er hineingeplatzt war wie eine Granate in ein Kinderheim. Erna lehnte an der Wand und weinte. Die Kinder waren in den Türen ihrer Zimmer stehengeblieben und starrten ihn stumm an.
    Jedes Kind hat sein eigenes Zimmer, dachte Ewald Kurowski. Das gab es früher nur bei den Herrschaften. Hat sich die Welt so verändert? Sind die Kurowskis Herrschaften geworden? Wo ist Julius? Leben Opa und Oma noch? Und was macht der Franz Busko? Man hätte doch vorher anrufen sollen … diese Überraschung war falsch. Alle haben mich gewarnt, alle Kameraden: Ewald, fünf Jahre sind eine verflucht lange Zeit. Fünf Jahre Schweigen … weißt du, was dann draußen alles passiert ist? Die haben dich für tot erklärt, und wenn du plötzlich vor der Tür stehst, heißt sie nicht mehr Erna Kurowski, sondern Erna Meier oder Schmitz oder Häberlein oder sonstwie. Mach das bloß nicht, komm nicht plötzlich … das ist eine andere Welt geworden, bestimmt, und du kommst ja aus'n Grab! Melde dich ganz vorsichtig an … Er hatte es nicht getan. Er hatte sich vom Roten Kreuz im Sammellager die Adresse geben lassen. Leverkusen, Rheinland, Nordstraße 34. Und dann war er losgefahren, bis unter die Haare voll von Sehnsucht und Freude. Ja, und nun stand er hier, im piekfeinen Flur, und die Erna weinte an der Wand und hatte ein Kleid an wie eine Nutte. Die neue Welt …
    »Es … es ist schön, euch alle wiederzusehen«, sagte Ewald Kurowski hilflos. Im Wald von Nowo Kalinsky hatte es nichts gegeben, was ihn aus der Fassung bringen konnte, und selbst der gefürchtete Leutnant Boris Alexandrowitsch Lukassow hatte sich an dem Unteroffizier Kurowski die Zähne ausgebissen, siebenmal warf man den deutschen Plenny ins Todeskommando – der Arbeit im Sumpf – und siebenmal kam er wieder, zwar immer ein bißchen krummer, aber ungebrochen. Doch jetzt stand er herum und wußte nicht, wie es weitergehen sollte. Er hatte fünf Jahre lang von dieser Rückkehr geträumt … nun war sie schlimmer als die Arbeit am Fließband im Sägewerk ›Stolz der Revolution‹.
    Erna stieß sich von der Wand ab und trocknete die Tränen. Die Kinder verharrten reglos in den Türen. »Das ist euer Vater …«, sagte Erna. »Ludwig, Peter, Inge … Euer Vater! Er ist wieder da! Er lebt! Euer Vater …«
    Ludwig, der Älteste, war der erste, der sich aus seiner Erstarrung löste. Er kam zu Ewald Kurowski, gab ihm die Hand und machte eine kleine Verbeugung. »Guten Abend …«, sagte er. Es klang wie ein Stöhnen. Über Kurowskis Gesicht zuckte es. Peter kam heran, zögernd, vorsichtig, wie ein Hund, dem ein Unbekannter eine Wurst hinhält.
    »Guten Abend, Papa …«, sagte er leise. Die kleine Inge, für ihre sieben Jahre ziemlich groß, mit langen blonden Haaren und den blauen Augen des Vaters. Sie kannte ihren Vater überhaupt nicht, nur von Bildern, und darauf sah er ganz anders aus als jetzt. Onkel Julius Paskuleit war ihr viel näher als dieser Mann da, und sogar Onkel Ellerkrug gehörte in ihr Leben … und nun stand da ein völlig Fremder, in einem schrecklichen Anzug, und das sollte ihr Vater sein. Sie starrte Kurowski an, sagte: »Guten Abend …«, drehte sich um und lief in ihr Zimmer zurück.
    Kurowski senkte den Kopf. Ich hätte tot bleiben sollen, dachte er. Hier ist die Welt in

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