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Aus dem Nichts ein neues Leben

Aus dem Nichts ein neues Leben

Titel: Aus dem Nichts ein neues Leben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Inhaber eines Schuhgeschäfts und Partner von Ellerkrug zu sein.
    Erna ließ die beiden Männer allein … was sie sich zu sagen hatten, war unter vier Augen besser zu besprechen. Es dauerte vier Stunden, bis Kurowski mit Heinrich Ellerkrug oben in der Wohnung erschien und rief: »Erna! Jetzt kann der Braten marschieren! Heinrich und ich haben einen Bärenhunger.«
    Da wußte Erna, daß das Leben der Kurowskis so weiterging, wie es Opa Jochen und Julius Paskuleit immer gewollt hatten. Und eigentlich war das Leben bisher ja auch nichts anderes gewesen als eine Vorbereitung für die Rückkehr Kurowskis, für diesen großen Tag, an dem nach Krieg, Elend und Tod, Vertreibung aus der Heimat, Hunger und Sichdurchboxen durch eine Zeit, in der das Verrückteste normal war, die Familie wieder vollzählig zusammen war, um in die Hände zu spucken und zu sagen: »Hier sind wir! So stark ist kein Sturm, daß er uns umbläst!«
    Kurz vor Weihnachten erschien Franz Busko mit seinem Dienstmercedes und einem Geschenk. Busko trug einen Maßanzug, einen schwarzen Hut, den man Homburg nannte, und schwarze Handschuhe aus glattem Leder. Kurowski staunte, holte eine Flasche Bärenfang aus dem Büfettschrank und schüttete Franz ein Glas ein. »So feierlich, Franz?« sagte er. »Was ist los?«
    »Ich habe ein Weihnachtsgeschenk für Sie, Meister.« Wenn Busko in der Familie war, legte er den Landrat ab. Innerhalb der Kurowskis war er noch immer der Geselle, auch wenn er sich jetzt politisch freigeschwommen hatte und seine Reden selbst schrieb. Das war einfach, denn er hatte einen Trick entdeckt: Aus den vergangenen Reden, die Paskuleit und Ellerkrug geschrieben hatten, setzte er einfach einige Sätze zusammen und erhielt so eine neue Rede, die anders klang, den gleichen Inhalt hatte und immer die richtige Richtung angab. Keiner merkte das, im Gegenteil, man lobte seine Ausdruckskraft. Es waren Konzentrate von Gedanken … Busko begann, die politische Bühne mit einer Art Urbegabung zu erobern: Er sagte immer das gleiche, aber stets anders. Mit diesem Trick wird seit Jahrhunderten regiert.
    »Pack aus!« sagte Kurowski.
    »Hier.« Busko öffnete ein Kuvert und schob ein dünnes Büchlein über den Tisch. »Im Auftrage meiner Partei. Die Mitgliedschaft mit der Nummer 305. Das ist eine unwahrscheinliche Ehre, Meister.«
    »Und du bist verrückt, Franz.« Kurowski schob das Parteibuch zurück. »Ich kannte einen, der hatte die Nummer 7 in einer Partei, und dadurch ging die halbe Welt zu Bruch. Und ich habe auch einmal ein Parteibuch besessen, das genügt mir. Wenn Deutsche anfangen, Politik zu machen, sitzen sie früher oder später in der eigenen Scheiße! Auch du, Franz! Warum haste keine Pulle mitgebracht, – das wäre besser gewesen.«
    Man sprach nicht mehr darüber, bis eines Tages Runzenmann zum Angriff blies und Ludwig Kurowski in der Schule ›Du Nazischwein‹ gerufen wurde. Es war zwei Tage nach Eröffnung der beiden Filialen der ›Westschuh‹. Die Konkurrenz formierte sich zum Angriff, die Schonzeit war vorbei. Den Kampf, der seit Paskuleits Tod ruhte, nahm Kurowski wieder auf. »Der ist kein Paskuleit!« sagte Runzenmann großspurig. »Wenn ich tief einatme, hängt er mir quer unter der Nase.«
    Sie alle vergaßen, daß fünf Jahre sibirischer Urwald einen Menschen entweder zerbrachen oder so hart wie vereiste Stämme machten.

15
    Zwei Wochen vor Ostern 1950 stieß Runzenmann, der wie Kurowski noch zwei Filialen seines Schuhgeschäftes gegründet hatte – und das in Leverkusen und im benachbarten Opladen, wo die Menschen froh waren, wieder ein halbwegs dichtes Dach über dem Kopf zu haben –, einen Wutschrei aus. In den Tageszeitungen waren halbseitige Anzeigen erschienen, in denen die ›Westschuh‹ die Gründung einer Schuhgroßhandels- und Vertriebs-Gesellschaft vorstellte und den staunenden Leuten erzählte, daß in allen Läden der ›Westschuh‹ durch günstigen Großeinkauf in Italien und Frankreich und durch Ausschaltung des Zwischenhandels die schönsten Schuhmodelle billiger seien als anderswo. Dann wurden Preise genannt und Schuhe abgebildet, die jetzt, im Jahre 1950, wie Märchen anmuteten.
    »Da muß etwas geschehen!« schrie Runzenmann im Telefon seinen Intimfreund Hübner an. »Das können wir nicht hinnehmen! Ich habe mich schon beim Verband erkundigt … nichts ist zu machen! Der kann Schuhe so billig verkaufen wie er will. Alte Masche. Markenschuhe sind preisgebunden, aber der Kerl importiert ja aus dem

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