Aus dem Tagebuch einer Rabenmutter (German Edition)
sie zur Bedienung gewandt, „sie nimmt einen Kamillentee.“
Und nahm wieder teilnahmsvoll in meine Richtung:
„Dir ist sicher übel. Also bei mir war das in den ersten Wochen ganz fürchterlich. Ständig musste ich mich übergeben. Mein Gott war mir das peinlich.“
Ich versuche Nanette zu erklären, dass ich mich bis vor wenigen Minuten noch ganz gut gefühlt habe und schließe mit der Kellnerin einen klammheimlichen Deal, mir statt des Kamillentees einen leichten Schwarztee aufzubrühen.
„Stell dir vor, wir waren eingeladen, der Hans-Peter und ich, das muss so in der 4. Schwangerschaftswoche gewesen sein, und Suse, ihr kennt doch alle noch Suse, die liegt jetzt übrigens mit einer Schwangerschaftsgestose im St. Anna Krankenhaus, jedenfalls Suse hatte zur Feier der Tages etwas ganz Besonderes gemacht. Austern. Und da passiert es. Ich gucke die Austern nur an, und schwupps muss ich mich mitten auf dem Tisch übergeben. Das schöne Essen.“
„Aber auch ziemlich verantwortungslos von Suse, so ein Essen zu kochen, wo sie doch wusste, dass du schwanger bist“, wirft Hannah verständnisvoll dazwischen.
Nanette fährt fort, detailgetreu zu schildern, wann, wo und wie sie in den ersten Monaten ihrer Trächtigkeit überall hingekotzt hat, während mir langsam etwas flau im Magen wird. Ich verschwinde mit einer bleichen Entschuldigung auf dem stillen Örtchen, um ein paar Minuten in mich zu gehen.
Als ich zurückkomme, steht Heidi, etwa genau so schwanger wie ich, wutentbrannt auf und streckt ihren noch nicht vorhandenen Bauch einem ca. 7 Tische weiter entfernt sitzenden Typen entgegen.
„Ja, sind Sie denn blind? Wie können Sie es wagen, hier zu rauchen.
Ich bin s c h a w a n g e r.“
Der arme Kerl versinkt vor Scham fast zu Boden und entschuldigt sich 1.000-mal, während Heidi ihn zur Schnecke macht.
Nanette ist mittlerweile bei ihrer latenten Schwangerschaftsdiabetes angekommen, nicht ohne zuvor die schrecklichen Hämorrhoiden zu erwähnen, die sie sich zugezogen hat, als sie das letzte Mal schwanger ging.
Anna M. steuert noch Krampfadern, Sodbrennen und Verstopfung bei, wohingegen Heidi mit Wasserein-lagerungen und Eileiterschwangerschaften kontert.
Mir wird das ganze langsam zu bunt. Im Büro wartet eine Menge Arbeit auf mich. Hastig verabschiede ich mich von der Müttergruppe, während ich etwas von einer Vorsorgeuntersuchung murmele. Ich plane, zahlreiche Überstunden zu schieben. Dann kann ich beim nächsten Müttertreffen nämlich auch ein paar ordentliche Schwangerschaftswehwehchen aufweisen.
Rückenschmerzen oder schwere Beine. Oder noch besser, ich gehe mal wieder richtig feiern, bis mich die Schwangerschaftsmüdigkeit oder die Schwangerschafts-übelkeit packt.
Kinderwagenkauf ist Vertrauenssache
„Wie, Du arbeitest immer noch?“
Langsam kommt mir die Frage bekannt vor. Nur dass sie diesmal nicht dem Munde einer Schwangeren, Ex-Schwangeren oder Möchtegern-Schwangeren entspringt, sondern von Holger, einem Arbeitskollegen meines Mannes stammt. Bislang hat er eigentlich einen ganz vernünftigen Eindruck auf mich gemacht.
Aber die Frage hat durchaus ihre Berechtigung. Wir, das heißt Paulchen und ich befinden uns schon in der 11. Schwangerschaftswoche. Mein Bauchnabel hat sich um exakt einen Zentimeter gehoben, was allerdings auch an dem üppigen Abendessen, welches ich mir gerade einverleibt habe, liegen könnte. Der gesetzliche Mutterschutz beginnt immerhin in 23 Wochen. Was soll man sich wegen dieser paar läppischen Tage noch die Mühe machen, ins Büro zu gehen. Eigentlich unvorstellbar, dass es auch Frauen geben soll, denen Arbeit Freude macht, zwar nicht immer und garantiert nicht montags, aber meistens und die einfach nur um der Arbeit willen arbeiten, ohne zu müssen, wobei offen gesprochen ein bisschen Kleingeld im Portemonnaie die Sache ungemein erleichtert.
„Das habt ihr doch nicht nötig. Oder etwa doch?“ unterbricht Holger meinen viel zu langen Satz.
„Annamaria (ohne Bindestrich) ist so erfüllt mit ihrem Leben, seit Janwillem (auch ohne Bindestrich) da ist.“
Genau, deshalb sieht sie auch, immer wenn ich sie treffe, so unglücklich aus und hat mindestens 35 kg Übergewicht. Doch diese Gedanken behalte ich bei mir und lächele Annamaria freundlich zu. Kurzfristig lächelt sie zurück, wobei sie es schafft, sogar beim Lächeln unglücklich zu wirken.
Gott sei Dank wechselt Holger schnell das Thema, so dass es mir erspart
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