Aus dem Überall
der Brücke, aber zwischen den Blitzen ist es hier ziemlich dunkel. Sie schiebt die Kapuze zurück und läuft vorsichtig weiter, während sie Wracks und Schutt ausweicht. Bei diesen vielen Blitzen können sich die Augen nicht richtig umstellen. Schade, sie kann eigentlich nachts sehr gut sehen. Es dauert fünfundvierzig Minuten, bis die Augen ganz umgestellt sind. Sie weiß eine Menge solcher Dinge.
Sie ist unter einer langen Hochstraße, mitten auf einer alten Stadtstraße, die sich meilenweit geradeaus zu erstrecken scheint. Fast schnurgerade nach Westen, das ist gut. Draußen, auf beiden Seiten, prasselt der Regen herunter und spritzt im Licht der Blitze kalkweiß hoch. Bumm! Bumm! Im Mittelwesten gibt es phantastische Gewitter. Sie liebt dieses wilde Getöse, sie liebt es, sich durch ein Gewitter zu kämpfen. Alles nur für sie! Wie gern würde sie sich ausziehen und einfach hinauslaufen. Ihre Sachen wären hier drunter im Trockenen. He, soll ich nicht doch … Beinahe tut sie es, aber sie ist noch nicht sehr schmutzig, und sie muß weiter. Sie hat soviel Zeit in der Herberge verloren. Kuriere müssen verantwortlich handeln. Sie ist vernünftig und bahnt sich ihren Weg durch kauernde dunkle Trümmer und denkt, das ist genau die Gegend, in der man mit einem Pferd nichts anfangen kann.
Sie hat sich lange Gedanken darüber gemacht, ob sie ein Pferd nehmen sollte. Manche Kuriere reiten lieber. Wahrscheinlich geht es wirklich schneller, denkt sie. Aber nicht sehr, nicht sehr. Die meisten Leute haben keine Ahnung, wie schnell man zu Fuß sein kann. Ich bin schon lange auf den Beinen, während die noch mit ihren Pferden beschäftigt sind. Und man hat soviel Mühe mit ihnen; füttern, auf die Hufe achten. Natürlich kann man mit ihnen mehr transportieren. Aber das Entscheidende ist, daß man mit einem Pferd isoliert ist. Wenn man nicht läuft, hat man nicht mehr das Vergnügen, alle möglichen Schwestern kennenzulernen. Wie zum Beispiel diese kluge, mütterliche Schwester, die sie mitnahm, als sie in die Stadt kam. Sie sprach mit einem seltsamen Dialekt, aber ich konnte sie verstehen, und ihre Liebe kam deutlich rüber. Eine Mutter … vielleicht bin ich eines Tages auch eine Mutter, denkt sie. Aber noch nicht. Oder ich bin wie die gute alte Nokomis. Die runzlige alte Nokomis, wieviel hat sie mich gelehrt … Und die Pferde, die sie hatte. Ich hab noch nie so temperamentvolle Pferde gesehen. Da muß es ein paar sagenhafte Gestüte geben. Morgen, wenn sie die Stadt verlassen hat, wird sie sich eine hochgelegene Stelle suchen, um das Land zu überblicken. Wenn ich ein Gestüt sehe, werde ich es mir merken. Für die nächste Route wäre ein Pferd sicher nützlich – für die Route nach Westen über die Rockies. Aber Des Moines ist für jetzt weit genug. Des Moines ist genau richtig für meine eigenen, kräftigen Beine.
»Sie war eine von ihnen, eine von diesen Anti-Büstenhalter-Weibern«, sagte Mrs. Olmsted mit geschürzten Lippen, während sie umständlich aus ihrem Regenmantel schlüpft. Dann knotet sie ihre Plastik-Regenhaube auf. »O Gott, meine Haare.«
»Normalerweise nimmst du doch keine Anhalter mit, Mom.« Bee sitzt im Eßzimmer und bearbeitet ihre Nägel mit Plum Love.
»Es kam gerade ein Gewitter«, erwidert die Mutter entschuldigend, während sie in die luxuriöse Küche eilt. »Sie hatte einen großen Rucksack auf dem Rücken. Ach, um ehrlich zu sein, ich habe sie für einen Pfadfinder gehalten. Deshalb habe ich angehalten.«
»Haha.«
»Ich hab sie in Stony Island abgesetzt. Weiter könnte ich nicht fahren, sagte ich. Sie hat dauernd über mein Gesicht geredet.«
»Wahrscheinlich war sie stoned. Man wird sie da unten umbringen.«
»Bee, ich hab dir schon mal gesagt, benutze dieses Wort nicht mehr. Ich will nichts davon wissen, ich finde das überhaupt nicht gut. Ich denke, sie wird schon klarkommen. Übrigens, wo ist die Salatschüssel?«
»Im Bad. Was ist mit deinem Gesicht?«
»Was hat die Salatschüssel im Bad zu suchen?«
»Ich hab sie benutzt, um meine Schuppenbürste einzuweichen, sie hat genau die richtige Größe dafür. Was hat sie über dein Gesicht gesagt?«
»O Bee, dein Vater würde dich umbringen. So geht das doch nicht, wir essen daraus.« Ihre Stimme senkt und hebt sich, und sie kommt protestierend mit der Schüssel zurück.
»Mein Haar ist doch nicht giftig, Mom. Außerdem wird sie durch die Hitze sterilisiert. Mein Haar sieht immer verdammt übel aus, wenn es regnet, und ich
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