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Aus dem Überall

Aus dem Überall

Titel: Aus dem Überall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Jr. Tiptree
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muß doch im Büro einen guten Eindruck machen.« 
    »Ich wünschte, du würdest nicht soviel fluchen.«
    »Was hat sie über dein Gesicht gesagt, Mom?« 
    »Oh, mein Gesicht. Tja! ›Dein Gesicht ist weise‹, sagte sie auf so eine verrückte Art. ›Mütterliche Falten voller Weisheit und Licht.‹ Falten. So was Unhöfliches! Sie nannte mich die runzlige alte … ich weiß nicht mehr. Ich sagte ihr, was ich davon hielte, daß Mädchen trampen, glaub mir, ich hab’s ihr gesagt. Komm, hilf mir mal aufräumen, dein Vater muß jeden Augenblick kommen! Weißt du, was sie sagte?«
    »Was hat sie gesagt? Gib mir das mal rüber!« 
    »Sie fragte, ob ich die Hunde meinte. Hunde! ›Es gibt keine Angst‹, sagte sie, ›auf der ganzen weiten Welt gibt es keine Angst.‹ Und sie hat mich dauernd gefragt, woher ich die Pferde hätte. Ich glaube, das ist so eins von ihren Worten, sie meinte wohl den Buick.« 
    »Stoned, ich hab’s gesagt. Armes Mädchen.« 
    »Bee, bitte. Ich meine nur, ein Mädchen wie sie fordert es geradezu heraus. Sie fordert heraus, was sie bekommt. Es ist mir egal, was du sagst, aber es gibt Spielregeln. Das finde ich nicht gut, überhaupt nicht.« 
    »Das kannst du laut sagen.«
    – Ihre Sandalen sind feucht, aber noch in Ordnung. Gutes Leder. Sie hat sie selbst genäht und eingefettet. Wenn sie alt ist, wird sie irgendwo an der Straße eine kleine Hütte haben und Sandalen und andere Sachen für die Schwestern machen, die vorbeikommen. Woher bekomme ich das Leder? fragt sie sich. Wahrscheinlich könnte sie mit den Händlerinnen ins Geschäft kommen.
    Oder könnte sie es selbst gerben? Das ist gar nicht so schwer. Muß es mal nachschlagen.
    Der Regen fällt immer noch dicht, es ist jetzt angenehm kühl. Sie bemerkt, daß sie durch Haufen von altem Papier geschlurft ist. Es fliegt im böigen Wind davon. Überall Müll. Wie die nur gelebt haben. Die Blitze draußen beleuchten eine massive Mauer aus zerstörten Gebäuden. Große schwarze leere Fenster, eine Art Fabrik. Ein Stück Papier weht hoch und bleibt in ihrem Nacken kleben. Sie schält es ab und betrachtet es im Gehen. Ein Blitz zuckt, und sie erkennt, daß es ein Bild ist. Zwei Schwestern, die sich umarmen. Hübsch. Sie tragen komische alte Kleider. Und die kleinere Schwester sieht so seltsam aus, angemalt und irgendwie fremd. Als versuchte sie vergeblich zu lächeln. Ein Bild aus schlimmen Zeiten.
    Sie steckt es in die Tasche und bemerkt voraus zwischen den Pfeilern der Hochstraße ein Licht. Eine Handlaterne, sie bewegt sich. Also ist noch jemand hier und sucht Schutz. Schön! Vielleicht lebt hier sogar jemand und hat etwas zu erzählen! Sie eilt zum Licht und ruft die Erkennungsworte der Kuriere:
    »He, Schwestern. Post oder Nachrichten? Des Moines und weiter nach Westen!«
    Ja – sie sieht, daß es zwei sind, in Regenzeug gehüllt. Sie lehnen an einem alten ›Auto‹. Wahrscheinlich Reisende wie sie. Sie ruft noch einmal.
    »Hallo?« Eine antwortet zögernd. Manche Schwestern fürchten sich bei Gewittern. Sie wird sie beruhigen. Sie brauchen keine Angst zu haben, wirklich nicht. Wie sie es liebt, neue Schwestern kennenzulernen, das ist das Schönste im Leben eines Kuriers. Sie schreitet aufgeregt durch Papier und Pfützen und tritt ins Licht.
    »Aber wem können wir das melden, Don? Man kennt dich hier nicht, die Stadtpolizei wird nicht auf dich hören.«
    Er zuckt bedauernd die Achseln. Er weiß, daß seine Frau recht hat.
    »Und wieder eilt eine Unglückliche, des Atmens müde, viel zu früh dem Tod entgegen.«
    »Woher ist das?«
    »Oh, Hood. Thomas Hood. Als die Themse voller toter Frauen war.«
    »Nachts in dieser Gegend herumzulaufen, ist der reine Selbstmord. Nicht einmal wir sind hier sicher. Glaubst du, der Abschleppwagen vom AAA kommt bald?«
    »Das haben sie versprochen. Aber vor uns sind noch ein paar andere dran. Im Augenblick ist nichts los; solange es regnet, ist sie wahrscheinlich sicher. Wir können ins Auto steigen, wenn es nachläßt.«
    »Ja … ich wünschte, wir hätten etwas tun können, Don. Sie schien so, ich weiß nicht, jedenfalls nicht wie ein Tramp.«
    »Wir hätten ihr doch nicht was auf den Kopf schlagen und sie reinzerren können. Außerdem sah sie ziemlich kräftig aus, wie du vielleicht bemerkt hast.«
    »Ja … Don, sie war bestimmt verrückt. Sie hat überhaupt nicht gehört, was du gesagt hast. Sie hat dich Schwester genannt. Und diese Anzeige, die sie uns gezeigt hat, sie meinte, es wären zwei

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